Die Menschen hasten hektisch durch den Feierabendverkehr. Auf dem Bahnhofsplatz herrscht ein buntes Gewimmel von Leuten. Sie haben Transparente dabei und Schilder, einige tragen weiße Handschuhe, überall sind Rollstuhlfahrer zu sehen. Hier soll gleich die Parade der Vielfalt starten – zum sechsten Mal am Europäischen Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung.
Soeben sind drei Läufer mit der Inklusionsfackel angekommen. Die wird heute noch an einen Dresdner Bürgermeister übergeben. Ein Mann mit Gitarre stimmt schon ein, Schilder mit einem Liedtext werden hoch gehalten. Die Dresdner werden gleich den Inklusionssong vortragen. Deshalb die vielen Leute mit weißen Handschuhen! Damit das Lied auch in der Gebärdensprache gut zu verstehen ist. Dass es ausgerechnet jetzt anfängt zu regnen, stört hier niemanden. Unzählige Schirme bedecken den Platz, der inzwischen richtig voll geworden ist.
Menschen mit Behinderung auf dem ersten Arbeitsmarkt sind selten
Plötzlich stupst mich einer an. „Du hier?“ – ich sehe staunend einen Bekannten an. „Naja, ich bin ja auch so ein Behinderter“, sagt er und lacht. Das wusste ich nicht. Dann erzählt er mir von seiner psychischen Krankheit, dass er nur begrenzt belastbar ist und immer mal wieder längere Pausen machen muss. Er erzählt, dass er in einer Behindertenwerkstatt arbeitet und dass er lieber einen ganz normalen Job in einer ganz normalen Firma machen würde. Doch dass Menschen mit Behinderung auf dem ersten Arbeitsmarkt einen Job finden, ist auch in Sachsen noch sehr selten. Nicht zuletzt deshalb gibt es Jahr für Jahr die Parade der Vielfalt.
Die hat sich inzwischen in Bewegung gesetzt. Eine Dresdner Samba-Truppe trommelt, was das Zeug hält, und gibt das Tempo vor. Wir schlendern mit. Ein paar Reihen weiter läuft die sächsische Kultusministerin. In Dresden ist gerade Wahlkampf und sie will Oberbürgermeisterin werden. Später wird sie noch eine Rede halten, erfreulich kurz. Wichtiger sind die Menschen in der Parade. Ein junger Mann stupst mich von hinten an. Er schlenkert mit seinem Blindenstab, schwarze Sonnenbrille auf der Nase und findet sich in dem Getümmel dieser Demonstration gut zurecht. Die Trommler haben aufgehört, Kinder lassen Luftballons zum Himmel steigen. Das sieht er nicht, aber ich höre, wie es ihm jemand berichtet. Alles ganz normal. So einfach kann Inklusion sein.
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Weitere Informationen zur Parade der Vielfalt in Dresden
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(Jan Frintert)