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Nicht nur gute Co-Piloten

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Ein Mann im Rollstuhl und eine Frau stehen im Türrahmen vor einem Treppenhaus. Sie lächeln in die Kamera.

Charlotte und Serge sind seit 1,5 Jahren ein Paar. Seit seinem 20. Lebensjahr sitzt Serge nach einem Unfall im Rollstuhl. In der Beziehung der beiden spielt das keine Rolle. Charlotte erzählt vom Kennenlernen und dem Alltag des Paares.

„Wir reisen gerne gemeinsam, sind oft in der Natur, fahren Rad, reiten oder wandern. In unserem ersten gemeinsamen Urlaub waren wir paragliden – wir sind eben gerne sportlich unterwegs.“ Würde man bei Charlottes Erzählungen darüber nachdenken, ob einer der beiden eine Behinderung hat? Nein. Und auch in der Beziehung der beiden spielt es keine Rolle, dass Serge im Rollstuhl sitzt. Genau so wenig wie der Altersunterschied von 9 Jahren. Sie ist 33, er 42. Oder dass die beiden lange Zeit 1200 km trennten, weil Serge in Frankreich lebt. „Wir haben uns einfach kennengelernt und ineinander verliebt. Mit allem drum und dran.“

Charlotte war damals als persönliche Assistenz für eine junge Frau im E-Rollstuhl auf einer Reha-Messe in NRW unterwegs. Der Stand von Serge war direkt gegenüber vom Messe-Auftritt ihrer Arbeitgeberin. Serge hat dort unter anderem seinen eigens entworfenen und selbst gebauten Aktiv-Rollstuhl "TraceS" präsentiert –  ein sportliches, geländetaugliches Modell mit drei Rädern und einem Stoßdämpfer. Schon während der Messe kam es zu viel Blickkontakt und kurzen Gesprächen, ein richtiges Kennenlernen war aber nicht möglich. Doch Serge gab ihr kurz vor der Abfahrt seine Karte. Was folgte, waren viele Mails und der schnelle Entschluss, sich in Charlottes Heimat Hamburg wiederzusehen. Da Serge gerade die Sommerferien mit seiner Tochter verbrachte, nahm er die Achtjährige kurzerhand mit und Charlotte zeigte den beiden die Hansestadt und ihr buntes Viertel St. Pauli. Seitdem sind sie ein Paar.

Die Beziehung brachte dann einige Autofahrten und viele Hin- und Rückflüge mit sich. „Mein Job als persönliche Assistenz ermöglicht es mir, auch mal einige Zeit am Stück freizuschaufeln, so dass wir die 1,5 Jahre Fernbeziehung ganz gut gemeistert haben.“ Dass die beiden gerne Auto fahren, hat dabei sicherlich auch geholfen – „wir sind füreinander gute Co-Piloten und gerne mal im Auto unterwegs“. Nun soll aber trotzdem Schluss damit sein. Charlotte packt gerade ihre letzten Kartons und zieht zu Serge nach Frankreich. Französisch hat Charlotte der Liebe wegen schon innerhalb relativ kurzer Zeit und ohne große Mühen gelernt.

„Von und in unserer Beziehung habe ich aber besonders gelernt, was alles möglich ist, wenn man wirklich will und sich traut dem anderen zu zeigen, dass man vorbehaltlos für ihn da ist.“ Ein paar Situationen gab es, über die man vielleicht kurz gegrübelt, dann aber eigentlich immer gelacht hat. Beispiel: Miteinander tanzen. „Man könnte sich überlegen: Wie um Himmels willen sollen wir auf der Hochzeit einer Freundin zusammen tanzen – ohne blaue Schienbeine, aber mit einer gewissen Grazie? Oder auf einem Festival in der Menge. Fazit: Einfach machen, es funktioniert!“ Oder die Treppe zu Charlottes Wohnung: Ohne Hilfe kaum machbar. Aber mit der richtigen Motivation geht auch das. Auch wenn dabei herrlich viele Dinge „schieflaufen“ können und man sich im Endeffekt darüber schlapp lacht, erzählt Charlotte. „Einmal hatte ich den Rollstuhl bereits die 15 Stufen hochgetragen, Serge"geht" langsam rauf, ich will am Eingang die Tür wieder schließen und in der Zwischenzeit macht sich der bereits oben geparkte Rollstuhl selbstständig und rollt, hüpft und springt die Stufen wieder runter, über uns hinweg. Nix passiert, zum Glück.“

Das nächste Vorhaben der beiden: Mehr Musik zusammen machen. Charlotte spielt Mandoline und singt, Serge spielt etwas Gitarre und bald Cajon, eine Art Akustik-Schlagzeug. „Wir haben ausgemacht, dass wir im November zehn Lieder zusammen performen können“. Mehr Zeit zu üben haben die beiden ja nun im gemeinsamen Alltag in Frankreich.

 

Linktipp:

Blog-Beitrag "Burger à la Inklusion" - Ein gutes Mitarbeiter-Duo

(Redaktion )


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