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Die Sonderpädagogik in Zeiten der Inklusion

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Das Wort "Schule" auf einer Schultafel

Inklusion ist eine große Chance, aber auch eine große Herausforderung - insbesondere für die Lehrerinnen und Lehrer.

"In einer inklusiven Klasse darf kein Kind ausgeschlossen oder abgestuft werden. Das heißt, Lehrkräfte müssen das Lernangebot so gestalten, dass jedes Kind mit seinen sich zudem ständig wandelnden Voraussetzungen optimal gefördert wird", sagt Ursula Carle von der Universität Bremen. Um dieses Ziel umsetzen zu können, bedarf es einer anderen Form des Unterrichts. Der Wissenschaftlerin zufolge lautet das Zauberwort der Zukunft Teamarbeit.

Zentrale personelle und finanzielle Ressource

"Pädagoginnen und Pädagogen verschiedener Spezialisierungen arbeiten im Unterricht zusammen und entwickeln gemeinsam die Voraussetzungen für gelingende Lernprozesse in heterogenen Gruppen", schrieb Carle bereits 2011 in einem Beitrag im E&W-Magazin der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. Carle zufolge gibt es jedoch bislang kaum Modelle und noch weniger Anleitungen, wie Teamarbeit entstehen und funktionieren kann. Dabei werde vor allem deutlich, dass diese auch eine der zentralen personellen und finanziellen Ressourcen sei, die in einem inklusiven Schulwesen zur Verfügung stehen müsse.
Genau aber diese personellen und finanziellen Ressourcen fehlen häufig. Mancherorts drängt sich der Eindruck auf, dass unter dem Deckmantel der Inklusion vor allem Geld - in Form von Lehrerstellen - eingespart werden soll.

Ein Gefühl, alleine gelassen zu werden

Die Süddeutsche Zeitung brachte die Situation vieler Pädagogen an Regelschulen so auf den Punkt: "Wenn man mit Lehrern spricht in diesen Tagen, dann berichten sie oft von einem Gefühl, alleine gelassen zu werden - dass sie versuchen, allen ihren Schülern gerecht zu werden. Aber dass sich dann Eltern beschweren, wenn es mit dem Stoff nicht weitergeht. Dass es ja niemandem Spaß macht, in einer Klasse zu sitzen, in der vor lauter Pädagogik das Lernen zu kurz kommt. Und dass es bei allem guten Willen an Hilfe fehlt." Diese Hilfe könnte von Sonderpädagogen kommen. Sie kennen die Förderbedarfe von Schülern mit Behinderung. Sie können spezifische Lerninhalte - wie zum Beispiel die Brailleschrift für blinde Kinder - vermitteln. Und sie könnten Lehrer unterstützen, die bisher keine Erfahrung mit behinderten Schülern haben.

Forderung nach mehr Sonderpädagogen

Der Begriff Sonderpädagogik klingt heute fast schon antiquiert, nach Sonderschule, nach Ausgrenzung. Und doch fordern inzwischen sogar einige Selbsthilfe-Vereinigungen mehr Sonderpädagogen, so zum Beispiel im vergangenen Oktober drei Blinden- und Sehbehinderten-Organisationen.
Die Sonderpädagogik steht in Zeiten der Inklusion vor großen Herausforderungen. Ihre Existenzberechtigung wird immer häufiger in Frage gestellt. Das hat auch der Verband SonderpädagogikVDS erkannt. Der Zusammenschluss von mehr als 10.000 Sonderpädagogen hat daher seinen diesjährigen Bundeskongress unter das Motto "Herausforderung Inklusion" gestellt. Er findet vom 25. bis 27. April in Weimar statt.

Jedes Kind in seiner Individualität wertschätzen

Ein Beispiel dafür, welche Rolle die Sonderpädagogik zukünftig spielen könnte, ist Astrid Schulze. Sie arbeitet nicht nur als Lehrerin, sondern auch als Moderatorin in der Lehrerfortbildung. Im Praxisheft "Inklusion - Schule für alle gestalten berichtet sie, wie sie in ihren Fortbildungen versucht, Lehrern ihre Sorge zu nehmen: "Indem ich ihnen zeige, dass sie bereits jetzt schon täglich im Unterricht mit einer großen Vielfalt von Stärken und Schwächen, Problemen und Störungen umgehen können." Der wichtigste Schritt liege darin, eine Haltung zu entwickeln, die jedes Kind in seiner Individualität wertschätze und Vielfalt als Bereicherung für erfolgreiches Lernen aller Schülerinnen und Schüler erkenne. Schließlich gibt Schulze zu bedenken: "In Zukunft wächst eine Generation heran, für die der Umgang mit Behinderung ganz selbstverständlich sein wird!"


Mehr zum Thema:
Das Handlungsfeld "In der Schule" der Aktion Mensch
"Schule für alle gestalten": Das Praxisheft der Aktion Mensch für Lehrerinnen und Lehrer (PDF-Dokument)
Lehrer mit Hörbehinderung. Ein Blogbeitrag von Margit Glasow über einen Sonderpädagogen mit Hörbehinderung
"Ich bin ich". Ein Blogbeitrag von Ulrich Steilen über vorbildliche schulische Inklusion an der privaten Mira Lobe Grundschule
Inklusion - ein Lehrstück. Ein Blogbeitrag von Raúl Krauthausen mit persönlichen Erfahrungen und Überlegungen zur schulischen Inklusion

(Autor: Heiko Kunert)


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