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"Wir gehen online"

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Hände schreiben auf einem Laptop

Für viele Menschen mit Behinderungen ist das Internet mittlerweile das Medium schlechthin, um sich zu informieren und Kontakte zu pflegen. Doch es gibt noch einige Hürden. Um Menschen mit Lernschwierigkeiten den Weg ins Internet zu erleichtern und Inklusion auch online voranzutreiben, hat die Lebenshilfe Bildung im letzten November in Berlin ein zweitägiges Seminar veranstaltet: "Wir gehen online". Der 28-jährige Enrico Schaffrath war einer der Teilnehmer mit Lernschwierigkeiten.

Herr Schaffrath, wer hat das Seminar noch besucht?
Es waren ungefähr 12 Leute dort: Nutzer, die in Wohngemeinschaften der Lebenshilfe leben oder im betreuten Einzelwohnen und auch Menschen, die auch so ein Seminar machen möchten. Der Dozent kam aus Graz und ist nicht oft in Berlin. Deshalb sollten wir von ihm lernen. Ich werde im Mai zusammen mit Christian Erben von Lebenshilfe Bildung auch so ein Seminar durchführen.

Was wurde denn genau behandelt?
Es ging vor allem darum, wie man sich mit dem Klikin-Projekt eine eigene Internet-Seite einrichtet. Die Seite ist in Einfacher Sprache. Es ging auch viel um Fotos. Wir sind nach draußen gegangen, haben Fotos gemacht, sie hochgeladen und bearbeitet. Wir haben gelernt, wie man die Farben verändert, rote Augen weggemacht und die Fotos schärfer stellt. Dann hat der Seminarleiter erklärt, wie man die richtigen Fotos für eine Webseite auswählt und sie beschriftet. Ich wusste das alles schon, ich habe schon lange meine eigene Webseite. Es ging auch noch um Youtube: wie man sich anmeldet, ein Video hochlädt und einen Link auf die eigene Seite stellt. Die meisten Teilnehmer haben sich gleich ein Konto angelegt. Es war sehr interessant zu sehen, wie der Seminarleiter alles gemacht hat und welche Themen wichtig sind.

Was ist wichtig, wenn man Menschen mit Lernschwierigkeiten den Zugang zum Internet erleichtern möchte?
Ganz wichtig finde ich, dass man alles sehr langsam erklärt. Außerdem muss man viel mit Bildern arbeiten, da viele der Nutzer mit Lernschwierigkeiten ja Probleme mit dem Lesen haben. Sie wissen oft nicht, wie man überhaupt auf eine Homepage kommt. Das muss man dann oft erklären oder vielleicht einfach ein großes Bild mit dem Browser-Symbol an den Bildschirm kleben. Dann können sie sehen, wo sie als Erstes klicken müssen. Das Seminar sollte eine einfache Bedienungsanleitung fürs Internet sein - mit wenig Text und vielen Bildern. Das Interesse an so einem Seminar ist auf alle Fälle groß. In den WGs haben viele Menschen mit Lernschwierigkeiten Internetzugang, einige experimentieren auch schon mit Video-Blogs und so. Sie wollen gern mehr wissen.

Ging es in dem Seminar auch um Facebook?
Nein, gar nicht. Aber wir haben bei der Lebenshilfe schon darüber geredet. Ich möchte das in unserem Seminar gern behandeln. Facebook ist sehr wichtig, und viele Leute mit Lernschwierigkeiten, die ich kenne, sind davon begeistert. Sie spielen dort Computerspiele, schauen sich Videos an, laden Freunde ein und posten, was sie so machen. Ich kenne aber auch einige, die sich noch nicht trauen. Bei Facebook gibt es ja viele Fallen. Ich würde gern die AGBs in Leichter Sprache erklären. Es ist auch wichtig zu erklären, wo man ein Häkchen macht, wenn man zum Beispiel eine Einladung schreibt und wo nicht - dass es keine Facebook-Party wird.

Gibt es noch andere Dinge, die Sie in Ihrem Seminar machen würden?
Ja, mir haben im November einige Dinge gefehlt, zum Beispiel, wie man einfache Texte schreibt. Wir haben zwar die Fotos beschriftet, aber um Texte ging es gar nicht. Die sind aber auch wichtig für eine Seite. Überhaupt finde ich Datenschutz und Copyright wichtig: Wo sollte man ein Häkchen machen, oder worauf muss man achten, wenn man Fotos von anderen auf seine Seite stellt? Das kam in dem Seminar nicht vor. Ich finde es auch wichtig, dass die Teilnehmer mehr Zeit bekommen, die Dinge, über die wir sprechen, selbst auszuprobieren. Ich zeige etwas ein paar Mal, und dann können sie zwei Stunden selbst probieren. Ich helfe dann bei Fragen. So stelle ich mir das vor. Wenn man etwas selbst ausprobiert, lernt man ja mehr.


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(Autor: Katja Hanke)


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