Interview mit Götz W. Werner: Der Gründer und Aufsichtsrat der "dm-drogerie markt GmbH", ist bekannt für seine anthroposophische Weltanschauung und antiautoritäre Unternehmensführung. Auf dem Deutschen Schulleiterkongress, der Freitag in Düsseldorf startet, hält er einen der Hauptvorträge - und gibt als Unternehmer den Pädagogen einen Impuls zum Thema "Bildung heißt: ein Feuer entfachen".
Sie möchten, dass Bildung "ein Feuer entfacht". Um welches Feuer geht es?
Es geht um die Neugier, um das Interesse der Kinder und Jugendlichen an der Welt, also an der Schöpfung und ihren Mitmenschen. Das ist die eigentliche Aufgabe von Bildung. Bildung heißt nicht, den Kopf mit möglichst viel Wissen zu befüllen.
Und das leisten unsere Schulen nicht?
Noch nicht ausreichend. Es gibt viele gute Ansätze - allen voran in den Waldorfschulen, die Schülern durch Projektarbeit viel Raum zum Entdecken und Verstehen der Welt geben. Aber es gibt leider auch sehr viele Schulen, in denen noch der Frontalunterricht dominiert. Und so lassen sich junge Menschen nicht für ein Thema begeistern - nicht mehr, um genau zu sein, denn die Schüler werden immer individueller. Der Heterogenität der Interessen und Bedürfnisse wird man mit ein- und demselben Unterricht für alle nicht gerecht.
Wo bleibt, bei so viel Rücksicht auf das einzelne Kind oder den einzelnen Jugendlichen, die Gemeinschaft?
Einzelne ebenso wie die Gesellschaft kommen nur voran, wenn sie zusammen halten. Das lernen wir täglich in der Universität des Lebens. Individualität und Gemeinschaft schließen sich also nicht aus. Wenn Kinder und Jugendliche Interesse an der Welt entwickeln, machen sie sich zwangsläufig auch Gedanken über das Miteinander. Aus dem Interesse an der Welt folgt auch, dass Kinder und Jugendliche überlegen, welchen Platz sie in dieser Welt einnehmen wollen und dann anfangen, ihre Biografie zu gestalten.
Apropos Gemeinschaft: Welche Rolle spielt Inklusion in Ihrem Bildungsbegriff?
Unterschiedlichkeit ist der Normalfall, nicht die Ausnahme - das müssen wir alle anerkennen. Unterschiede müssen in der Schule koordiniert und harmonisiert werden. Außerdem sollten wir uns bewusst machen: Nobody is perfect! Was den gemeinsamen Unterricht von Schülern mit und ohne Behinderung angeht: Wenn ein behindertes Kind in der Regelschulen zu wenig eingebunden und gefördert werden kann, halte ich allerdings separate Schulen für besser.
Linktipps:
Der Deutsche Schulleiterkongress vom 7. bis 9. März 2013 in Düsseldorf
Das Handlungsfeld "In der Schule" der Aktion Mensch"Schule für alle gestalten": Das Praxisheft der Aktion Mensch für Lehrerinnen und Lehrer (PDF-Dokument)
Mittendrin statt Sonderling. Ein Blogbeitrag von Ulrich Steilen über den Kölner Elternverein "mittendrin e. V.", der sich für Inklusion in der Schule einsetzt
Inklusion contra gegliedertes Schulsystem? Ein Blogbeitrag von Margit Glasow über einen Inklusionskongress in Rostock, bei dem das Thema inklusive Bildung diskutiert wurde
(Autor: Eva Keller)