Mein Job ist gar nicht so anders als der eines Fremdsprachendolmetschers. Ich verschriftliche, was gesagt wird, und mein Kunde kann so zum Beispiel die Vorlesung im Hörsaal auf seinem Laptop oder Tablet mitlesen und bekommt alles mit. Zusätzlich achte ich auf das Sprachniveau und den Kenntnisstand meiner Kunden, erkenne, welche Zusatzinformationen sie brauchen oder wann ich Inhalte zusammenfassen sollte. Dass es zum Beispiel entscheidend ist, einen gehörlosen Menschen über Gelächter im Raum zu informieren, habe ich in einem Abendkurs erlebt. Da war der gehörlose Kunde, der einer Gruppe das Fingeralphabet näherbrachte, so sehr auf die Arbeit mit einer Teilnehmerin konzentriert, dass er das allgemeine Gelächter nicht sah und von dem nüchternen Text auf dem Bildschirm verunsichert wurde. Hörbare Zusatzinformationen wie Applaus, Ironie oder den Schulgong gilt es also zusätzlich zu übermitteln.
Von Musik bis Mikrobiologie
Die Themenvielfalt, die mir in meinem Job begegnet, ist enorm. Erfreut stelle ich fest, wie viele verschiedene Studiengänge meine Kunden wählen. Auf Musik- oder Fremdsprachunterricht bin ich immer besonders gespannt.
Da ich zumeist online zugeschaltet bin, findet der Kundenkontakt in einem Chat statt. Ich habe mir sämtliche Emoticons angeeignet, denn die spielen hier eine immens wichtige Rolle. Wenn jemand weiß, dass ich blind bin, schreibt er manchmal das Wort „smile“ aus, weil er mitgedacht hat und will, dass ich den Ton der Nachricht auf jeden Fall mitbekomme. Ich wiederum habe gelernt, knappe direkte Antworten nicht als unfreundlich zu empfinden. Für manche meiner Kunden ist deutsche Schriftsprache fast wie eine Fremdsprache, da lege ich nicht alles auf die Goldwaage.
Berührungspunkte und Parallelen
Schriftdolmetschen ist ein hervorragendes Hilfsmittel, führt aber allein noch nicht zu normalem Umgang. Immer mal wieder bekomme ich mit, dass in einer Veranstaltung ein Kursteilnehmer über meinen Kunden spricht: Was machen wir denn mit dem? Wie soll das mit dem gehen? Gehörlose Menschen erleben es also auch, dass andere über sie sprechen, als seien sie gar nicht da. Und mir hat man dieses höchst demütigende Phänomen immer mit dem fehlenden Blickkontakt erklärt.
Sicher gibt es noch mehr Berührungspunkte und Möglichkeiten, uns zu ergänzen oder für gemeinsame Ziele einzutreten.
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(Mirien Carvalho Rodrigues)