Wer verreist nicht gern? Meine Kollegin Isabell und ich sind beide reisebegeistert. Dabei muss Isabell auf ganz andere Dinge achten als ich. Mit ihrem E-Rolli stößt sie immer wieder auf Barrieren – besonders auf Reisen und auf Strecken, die sie nicht kennt.
Entwicklung eines Rundgangs für alle
In meinem Studium der Angewandten Freizeitwissenschaft habe ich mich genau mit dieser Herausforderung beschäftigt. In einem Projekt mit dem Planungsbüro protze + theiling standen 10 Studierende der Hochschule Bremen vor der Aufgabe, einen Rundgang zu entwickeln, der für alle Menschen – egal ob mit oder ohne Behinderung – gleichermaßen geeignet und spannend ist. Ergebnis ist ein neues barrierefreies und kostenloses Angebot: „Bremen – bunt und grün. Rundgang für Alle“. Auf dem Weg durch die Bremer Neustadt befinden sich Attraktionen für alle Sinne. Informationen zum Weg und den Stationen werden dabei auf verschiedene Arten zugänglich gemacht: Neben einem klassischen Flyer gibt es auch einen Audioguide und die ausführlichen Stationstexte zum Download.
Der Rundgang im Praxistest
Heute besucht mich Isabell in Bremen, um den Rundgang zu testen. Gespannt beobachte ich ihre Reaktionen: Wie findet sie die Wege? Sind die Sehenswürdigkeiten gut gewählt und die Informationen spannend aufbereitet? Während Isabell aufmerksam den Texten zuhört, halte ich das Smartphone fest, den Flyer haben wir zur Unterstützung dabei, benötigen ihn aber kaum.
Isabell macht mich während des Rundgangs immer wieder auf Dinge aufmerksam, die mir zuvor nie aufgefallen sind und stellt interessante Fragen. So bleibt am Ende des Tages ein Gefühl: Stolz. Ich bin stolz auf „mein“ Bremen und den Rundgang und hoffe, dass das Angebot noch bei vielen anderen Menschen gut ankommt.
IsabellIch besuche meine Kollegin Laura in ihrer Wahlheimat Bremen. Ich freue mich und bin schon sehr gespannt, denn in Bremen ich war noch nie. Besser kennenlernen will ich die Stadt beim barrierefreien Stadtrundgang!
Der Audioguide ist super
Los geht’s! Wir lauschen dem Audioguide, den wir uns vorab aufs Smartphone geladen haben. Er ist langsam und deutlich eingesprochen, enthält interessante und spannende Informationen zu den einzelnen Stationen und hilfreiche Wegbeschreibungen. Außerdem gibt es Infos zu Einkehrmöglichkeiten und WCs sowie zum Grad ihrer Barrierefreiheit. Bis auf die Tatsache, dass ich ein paar kleinere Umwege fahren muss, um abgesenkte Bordsteinkanten zu finden, gibt es keine Schwierigkeiten. Allerdings verhindert eine Baustelle, dass wir den vorgegebenen Weg nehmen können. Zum Glück kennt Laura sich hier aus und weiß eine Alternativroute.
Schwieriger Weg zum Rolli-WC
Mittagspause machen wir im Restaurant von einem Schwimmbad. Der Audioguide informiert uns darüber, dass es hier zwar ein barrierefreies WC gibt, der Weg dorthin aber nicht für alle Rollstühle geeignet ist. Tatsächlich ist es gar nicht so einfach, mit meinem E-Rolli durch enge Türen und Sammelumkleiden dort hinzugelangen. Das ist nicht so tragisch, ich freue mich, dass es überhaupt ein barrierefreies WC gibt.
Ab in den Dom
Nach der Mittagspause beenden wir unseren Rundgang und besichtigen noch den Bremer Dom. Der ist zwar nicht auf den ersten Blick barrierefrei zugänglich, wir finden aber einen stufenlosen Eingang – zugeparkt vom PKW eines Rollstuhlfahrers. Na super, ist das Inklusion? Wir finden, dass auch Rollstuhlfahrer so parken sollten, dass sie andere nicht behindern. Es gibt zum Glück einen weiteren geeigneten Eingang. Die alte Kirchentür hat sogar einen elektrischen Türöffner, wirklich vorbildlich.
Mein Fazit? Die Wege zwischen den Stationen erlebe ich insgesamt als sehr barrierefrei. Das Kopfsteinpflaster stellt kein Problem dar, da es relativ großflächig ist. Alle Wege sind gut zu fahren. In Bremen hat es mir sehr gut gefallen, und ich möchte auf jeden Fall wiederkommen.
Linktipps:
Der Aktionstag 5. Mai 2016: Gemeinsam für eine barrierefreie Stadt
Mehr Infos zum Themenfeld Barrierefreiheit bei der Aktion Mensch
Städte zum Ertasten: Egbert Broerken baut Stadtmodelle aus Bronze für blinde Menschen
(Redaktion )