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Zusammen durchs Studium

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Eine Frau von hinten, ihr gegenüber sitzt ein Mann.

Stephan ist 25, ein kluger Kopf und studiert Bauingenieurwesen in Bremen. Dass er nach der Uni beste Chancen auf einen Job hat, ist dennoch alles andere als selbstverständlich – Schule, Berufsbildung und Uni machen es Menschen mit Autismus nicht immer leicht. Doch zusammen mit seiner Jobpatin Kristina räumt er eine Barriere nach der anderen aus dem Weg.

Alles begann mit einem Aufruf am Fachbereich Psychologie der Universität Bremen. Der Verein Autismus Bremen e.V. suchte studentische Paten, die Menschen mit Autismus bei der Berufsorientierung und Jobsuche unterstützen. Für Kristina kam das Angebot genau zur rechten Zeit: „Mir genügte die Theorie an der Uni nicht mehr – ich wollte möglichst schnell rein in die Praxis. Und das geht am besten über persönliche Begegnungen.“ So lernte sie Stephan kennen, inzwischen im 9. Semester Bauingenieurwesen und mit besonderem Faible für alles, was mit Verkehr zu tun hat. 

„Es hat sich so etwas wie eine kleine Freundschaft entwickelt.“

Seit inzwischen zwei Jahren wälzen sie zusammen Vorlesungsverzeichnisse, checken Prüfungstermine, stellen Wochenpläne auf und überlegen gemeinsam, welches Pensum passt. Manchmal gehen sie gemeinsam zu einer Sprechstunde und klären beispielsweise, ob Stephan eine Prüfung in einem Extra-Raum schreiben kann, in dem die anderen Studierenden nicht für Ablenkung sorgen. Doch es geht nicht nur ums Studium. Stephan erzählt: „Ich mache gerade meinen Führerschein, den ich als Bauingenieur benötige. Kristina hat mich zur Anmeldung in der Fahrschule begleitet und dem Fahrlehrer erklärt, was es mit Asperger auf sich hat.“ Kristinas besonderer Bonus: Sie kommt von außen, ist kein Familienmitglied, sondern eine Gleichaltrige, die sich in derselben Lebensphase befindet und so einen ganz anderen Zugang zu ihrem Mentee hat. Sie sagt: „Es hat sich so etwas wie eine kleine Freundschaft entwickelt.“

Weil es so nicht weitergehen konnte

Stephans Mutter, Gudrun Löser-Dee, merkte schon in der Schule, dass Menschen mit Asperger-Syndrom, einer leichten Form von Autismus, schnell durchs Raster fallen: „Ob Schule, Agentur für Arbeit oder Studium, immer wieder müssen Autisten Hürden überwinden, weil oft die Rahmenbedingungen ihren Bedürfnissen angepasst werden müssen.“ Bis zu 90 Prozent der Menschen mit Autismus sollen von Arbeitslosigkeit betroffen sein. Löser-Dee und weitere Eltern wollten sich nicht damit abfinden und setzten 2010 mit ihrem Verein Autismus Bremen e.V. das Projekt Jobpaten auf.

Der Verein übernimmt die Schulung der Paten und begleitet sie auch während ihres Engagements. So stehen immer zwei erfahrene Autismusexperten als Ansprechpartner zur Verfügung. Zusätzlich bieten die monatlichen Jobpatentreffen Gelegenheit zum Austausch. Neun Jobpaten sind derzeit in Bremen im Einsatz, weitere sind herzlich willkommen.

Kristina ist inzwischen mit der Uni fertig, arbeitet im Personalbereich und hat viel zu tun. Die Zeit, sich alle 2-3 Wochen mit Stephan zu treffen, nimmt sie sich trotzdem. Beziehungen müssen eben wachsen. Sich jetzt rauszuziehen, bevor Stephan das Studium abgeschlossen und einen Job gefunden hat, wäre schlechtes Timing.

 

Inklusion bedeutet, dass jeder Mensch nach seinen individuellen Möglichkeiten selbstbestimmt leben und am gesellschaftlichen Leben teilhaben kann. Dieses selbstverständliche Miteinander erreichen wir nur, wenn sich möglichst viele Menschen für eine inklusive Gesellschaft einsetzen und sie mitgestalten – zum Beispiel durch freiwilliges Engagement. Die Aktion Mensch bietet mit ihrer Freiwilligen-Datenbank einen Überblick über die zahlreichen Möglichkeiten: Menschen mit und ohne Behinderung können aus mehr als 13.000 Angeboten  das passende Engagement auswählen. 
 
Weitere Ideen für inklusives Engagement finden Sie in der Freiwilligen-Datenbank.

(Henrik Flor)


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