Ich mag dieses Internet, und wenn es nicht schon da wäre, sollte man es erfinden. Denn immer wieder passieren unerwartete Ereignisse.
Vor ein paar Monaten hatte ich eine WhatsApp-Nachricht von einem Freund bekommen, der meinte, mein Tweet am ersten Tag der Netzkonferenz re:publica war der meist geteilte Tweet. Dabei ging es nur darum, dass ich gerne auf Veranstaltungen meinen USB-Stromanschluss an meinem elektrischen Rollstuhl für ladehungrige Handys zur Verfügung stelle:
Ich war ziemlich überrascht, dass das Angebot auf solch ein Interesse gestoßen ist. Ursprünglich wollte ich einfach nur mit Menschen in Kontakt kommen. Denn es ist ein Unterschied, ob Menschen zu mir kommen, um einen besonderen Service von meinen Rollstuhl zu nutzen, oder zu einer Diskussion nach einem Vortrag zum Thema Inklusion. Ich freue mich sehr über die Gespräche nach einem Vortrag, weil sie sich oft auf die Themen beziehen, zu denen ich gesprochen habe. Es ist aber auch sehr spannend, mit Menschen über irgendetwas zu reden, das abseits der Vortragsthemen liegt.
Ein bisschen anders wahrgenommen
Die Gespräche fangen meistens damit an, warum ich überhaupt ein Handyüber meinen Rollstuhl aufladen kann und was das Ding noch so alles für Features hat. Ich finde es sehr interessant, dass mein Rollstuhl und ich auf einmal ein bisschen anders wahrgenommen werden: Ich bin dann nicht der Mensch im Rollstuhl, der irgendwie behindert ist. Ich bin denn der Mensch mit einer coolenHandy-Aufladestation. Das erzeugt sogar Neid.
Ich nenne diese Gespräche dann gerne „Neues von der Handy-Tankstelle“, weil wir uns meistens über andere Themen unterhalten, die nicht sofort was mit meiner Behinderung zu tun haben. Es kann natürlich auch damit zusammenhängen, dass auf einer Netzkonferenz die Themen sowieso andere sind, und doch freue ich mich sehr darüber. Damit möchte ich thematisch nicht werten, sondern dazu motivieren, mit mir auch über andere Themen zu sprechen als über Inklusion, Barrierefreiheit und die UN-Behindertenrechtskonvention.
Zum Beispiel habe ich einen 3D-Drucker zu Hause und frage mich die ganze Zeit, was passieren würde, wenn man damit einen weiteren 3D-Drucker herstellen würde?
Der Mensch hinter einer Behinderung
Zu Hause spiele ich gerne Playstation oder gucke Serien bei Netflix, und sehr oft frage ich mich, wo eigentlich dieses „Betriebsfahrt“ liegt, zu dem so viele Busse fahren. Also es gibt noch das eine oder andere Thema, über das man mit mir reden kann, und es muss nicht immer die Behinderung sein. Vielleicht helfen diese Gespräche auch dabei, dass der Mensch hinter einer Behinderung gesehen wird.
Dazu interessiert mich das Leben von dem Gegenüber noch viel mehr als der „Betriebsfahrt“-Standort, und so frage ich sehr gerne, was den oder die andere so umtreibt, beschäftigt und interessiert. Es ist unglaublich spannend, welche Menschen man an der Handy-Tankstelle kennenlernt. Zum Beispiel Lokführerinnen, Zukunftsforscher oder Sportlerinnen, die mir endlich mal erklären können, warum man sich jeden Tag so quälen kann.
Diese Gespräche sind eine wunderbare Abwechslung für mich, und wenn sie auch manchmal nur 20 Minuten dauern, möchte ich sie nicht missen und hoffe, dass Menschen mit und ohne Behinderungen viele solcher Begegnungen haben. Manchmal reicht schon ein Tweet auf einer Veranstaltung.
Was für interessante Begegnungen hattest du schon?
Linktipps:
(Raúl Krauthausen)