Die Initiative ging von einem gehörlosen Auszubildenden im Husumer Theodor-Schäfer-Berufsbildungswerk aus. Er wollte selbstständig angeln gehen und brauchte dafür den Fischereischein. Mit dem Pastor des Berufsbildungswerks hatte er schnell einen Verbündeten für sein Vorhaben gefunden. Der Pastor sprach Jürgen Töllner an, der ebenfalls im Werk arbeitete und Vorsitzender des Kreisanglerverband Nordfriesland e.V. ist. Auf dem kurzen Dienstweg organisierte Töllner die nötigen Gebärdensprachdolmetscher und sorgte dafür, dass die Kosten für die Dolmetscher aus dem Topf der Fischereiabgabe des Landes bezahlt wurden. Jürgen Töllner sieht sein Engagement norddeutsch-pragmatisch: „Gehörlose Angler konnten sonst nur in Begleitung eines Fischereischein-Inhabers angeln gehen. Das war für viele kein Dauerzustand. Und wir als Verband konnten helfen.“
Wie heißt Brasse in Gebärdensprache?
Der erste Kurs lief 2011 mit einem knappen Dutzend Teilnehmern in Husum. Eine Dolmetscherin hatten sich zuvor in die Fachbegriffe eingearbeitet. In acht Unterrichtsblöcken ging es um Gewässerkunde, den richtigen Umgang mit dem Gerät, um rechtliche Aspekte und vieles mehr. Am Ende standen die Prüfung und die feierliche Übergabe des bestandenen Scheins.
Am 10. September 2015 beginnt der nächste Durchgang. John Hoxhaj hat sich bereits angemeldet. Der 20-Jährige ist Auszubildender im Bereich Technisches Produktdesign im Theodor-Schäfer-Berufsbildungswerk. Schon als Kind hat er sein Faible fürs Angeln entdeckt und war oft mit seinem Großvater unterwegs. Er erzählt: „Für mich ist alles am Angeln interessant, weil man sehr viel dabei lernen kann. Es wird nie langweilig.“ Warum er sich für den Kurs angemeldet hat? „Ich will nicht nur an Privatgewässern angeln dürfen, sondern überall. Das ist doch viel besser.“
Der Verband, der inklusiv denkt
Der Kreisanglerverband macht sich auch an anderer Stelle dafür stark, dass niemand vom Angeln ausgeschlossen ist. Jürgen Töllner berichtet: „Bislang haben wir sechs Rollstuhlplätze für Angler angelegt. Man kann mit dem Auto direkt ranfahren und seine Angel von einem befestigten Steg auswerfen.“ Für Vereine und Engagierte, die Rollstuhlplätze einrichten wollen, hat der Kreisanglerverband alle Infos – von baulichen Voraussetzungen bis hin zum Genehmigungsverfahren – auf einer CD zusammengestellt.
Für John Hoxhaj soll der Lehrgang erst der Anfang sein. Für ihn ist klar, dass er künftig mit anderen zusammen angeln möchte. Am besten in einem Verein. Sein Wunsch an die künftigen Vereinskameraden: „Es wäre schön, wenn sie sich ein wenig die Gebärdensprache aneignen könnten. Dann würden vielleicht auch mehr gehörlose Menschen in den Verein kommen. Dass wir ein wenig gleichgestellter wären, das wäre schön!“
Der Fischereischein-Lehrgang für Gehörlose findet vom 10.9.2015 bis zum 22.10.2015 in Husum statt. Die Anmeldung ist über die Internetseite des Kreisanglerverbands möglich. Das Prüfungszeugnis wird von anderen Bundesländern anerkannt.
Inklusion bedeutet, dass jeder Mensch nach seinen individuellen Möglichkeiten selbstbestimmt leben und am gesellschaftlichen Leben teilhaben kann. Dieses selbstverständliche Miteinander erreichen wir nur, wenn sich möglichst viele Menschen für eine inklusive Gesellschaft einsetzen und sie mitgestalten – zum Beispiel durch freiwilliges Engagement. Die Aktion Mensch bietet mit ihrer Freiwilligen-Datenbank einen Überblick über die zahlreichen Möglichkeiten: Menschen mit und ohne Behinderung können aus mehr als 13.000 Angeboten das passende Engagement auswählen.
Weitere Ideen für inklusives Engagement finden Sie in der Freiwilligen-Datenbank.
(Henrik Flor)