Das Theaterstück "Staying alive" beschäftigt sich mit dem Thema Organspende. Neben Bühnenprofis spielen drei Menschen darin mit, die ihre eigene Geschichte einbringen.
Zehn Minuten Zeit hat Dr. Schneider. Vielleicht zwei davon braucht er, um die trauernde Frau angemessen zu begrüßen, drei müssen reichen, um ihr Vertrauen zu gewinnen. Dann bleiben fünf Minuten, um die Frau davon zu überzeugen, dass sie ihrem toten Bruder eine Leber und eine Niere entnehmen lässt. Stempel, Unterschrift, ab in den OP. Dr. Schneider wird in seinem Traum von einer Beraterin gecoacht, damit das funktioniert. Es kann nicht funktionieren. Am Ende fällt er über sie her, als wollte er ihr die Niere herausbeißen.
Erotische Verwirrung
Die Szene löst sich auf in erotische Verwirrung, Verlegenheit. Ein unsicheres Lächeln auf beiden Gesichtern, das den unlösbaren Konflikt nur schwach verbirgt. Zehn Minuten für eine existenzielle Entscheidung, von der das Leben zweier anderer Patienten abhängt, sind absurd wenig. Das Stück "Staying alive" zeigt solche Aspekte des Themas Organspende. Zwei Theaterprofis sind dabei und drei Menschen, die die Regisseurin Barbara Wachendorff"Expertendarsteller" nennt. Laiendarsteller wäre auch ein komplett falsches Wort. Sie sind Experten, wenn auch nicht freiwillig.
Einer von ihnen ist Gerhard Häck. Er ist 54 Jahre alt, seit mehr als sechs Jahren macht er Bauchfell-Dialyse, für die er nicht ins Krankenhaus muss. Eine Freiheit, die er mit Disziplin bezahlt. Vier Mal am Tag muss er selbst die Flüssigkeit in seinem Körper, die das Blut reinigt, austauschen. Er weiß nicht, ob und wann er eine Spenderniere bekommt. Aber er hofft, mit "Staying alive" ein paar Leute zum Nachdenken über Organspende zu bringen. "Man kann Veränderung nicht mit Spots im Fernsehen erreichen oder indem man überall Spenderausweise verteilt. Man muss ein Bewusstsein dafür schaffen, und das kann dieses Stück", sagt Gerhard Häck.
Keine 16-Stunden-Tage mehr
Früher war er Abteilungsleiter bei einer Veranstaltungsfirma. Nach der Diagnose wollte er weiterarbeiten, aber weil da keine 16-Stunden-Tage mehr drin waren, fand er kein Verständnis in der Firma und ging in Frührente. Häck und die beiden anderen Experten stehen für all die weithin unbekannten Folgen eines solchen Organversagens. Luci Löffler erkrankte mit 13 Jahren, und da Dialyse bei ihr unmöglich war, bekam sie schnell eine Spenderniere. Aber die Mittel, die das Abstoßen der neuen Niere verhindern sollen, lösten Krebs aus, wie es häufig vorkommt. Heute ist sie 16, steht in "Staying alive" auf der Bühne und erzählt ihre Geschichte. Die dritte ist Petra Schmidt, die eine neue Leber bekommen hat und der es damit gut geht, die aber nicht arbeitsfähig ist und in Hartz IV zu fallen droht.
Ein Leben verändern
Die Regisseurin Barbara Wachendorff und Dramaturg Joachim Henn haben viele Interviews mit Menschen geführt, die auf ein Organ warten oder eines bekommen haben. Drei von ihnen spielen jetzt mit. Das Stück öffnet einen Blick auf das Thema Organspende, der wehtun kann. Der aber vielleicht wirklich den Gedanken auslöst, den Gerhard Häck sich wünscht. "Geld kann man für vieles spenden. Bei einer Organspende ist klar: Der Sinn ist unmittelbar da. Ich kann ein Leben verändern."
"Staying alive" ist eine Koproduktion des Freien Werkstatt Theaters und des Sommerblut-Festivals in Köln. Die Aktion Mensch unterstützt das Projekt mit rund 73.000 Euro.
Tickets für die Premiere am 10. Mai und weitere sieben Aufführungen in Köln gibt es unter 0221/32 78 17 und im Ticketshop des Sommerblut-Festivals. Im Juni wird das Stück auch in Essen, Moers und Bonn zu sehen sein. Alle Termine und Adressen sind auf der Internetseite zu finden.
Linktipps:
Das Theaterstück "Staying Alive" beim Sommerblut Kulturfestival in Köln
Die Förderprogramme der Aktion Mensch
(Autor: Werner Grosch)