Musik muss man nicht hören. Man kann sie auch fühlen - und sehen. Und singen kann man auch mit den Händen. Mit der Lernsoftware"Kleine Helfer" können gehörlose und schwerhörige Kinder fünf Lieder lernen, mitsingen und dazu einige Sprachspiele machen.
Die Idee zur Software entstand nach einem Gebärdensong-Workshop, erzählt Stefanie Trzecinski. Sie ist Lehrbeauftragte für Neue Medien an der Abteilung Gebärdensprach- und Audiopädagogik der Humboldt-Universität Berlin. Außerdem hat sie die gemeinnützige Gesellschaft für Bildung "Kopf, Hand + Fuß" gegründet. Die Gesellschaft hatte den Workshop für gehörlose und schwerhörige Kinder veranstaltet und dazu den Liedermacher Rolf Zuckowski eingeladen. "Den Rhythmus eines Liedes kann man zwar spüren, den Inhalt aber nicht", sagt Trzecinski. Also hat sie mit den Kindern ein Lied des Sängers in Gebärdensprache eingeübt, und dann haben alle zusammen gesungen: Zuckowski zur Gitarre, die Kinder mit den Händen. "Es war so schön zu sehen, wie viel Spaß es den Kindern gemacht hat", sagt Trzecinski. Das sollten auch andere erleben.
Prominente Unterstützung
Fünf Lieder können die Kinder mit der Software lernen: mit Video, Text, Gebärdenübersetzung und zusätzlichen Spielen. Auch Rolf Zuckowski ist wieder dabei. Das Video zu seinem Lied "Jahresuhr" wurde speziell für das Projekt gedreht. In einem bunten Studio sitzen die Kinder um den Sänger herum und gebärden das Lied mit. Die anderen vier Videos bekam Trzecinski kostenlos vom Kinderkanal KiKa. Der Text läuft unter jedem Video in Schrift- und in einem kleinen Fenster daneben in Gebärdensprache.
Gedacht ist die Software vor allem für Kinder im Grundschulalter. "Ich hoffe, dass die Lehrer die Lieder zusammen mit den Kindern einüben", sagt Trzecinski. Für die Lehrer liegt ein kleines Heft bei, in dem erklärt wird, wie sie die Software am besten einsetzen. "Es ist nicht gedacht, dass die Kinder allein mit der Software am Rechner sitzen." Das wäre ja wie fernsehen.
Von Studenten entwickelt
Besonders stolz ist Stefanie Trzecinski auf die Spiele. Die haben gehörlose und hörende Studenten in einem Projektseminar von Anfang bis Ende selbst entwickelt. "Das haben sie ganz toll gemacht", schwärmt Trzecinski immer noch. Sogar an Wochenenden hätten sie daran gearbeitet. Auch die Gebärdensprachdolmetscher in den Videos sind Studierende. Jedes entwickelte Spiel vertieft den Inhalt des Liedes. Es geht um die Jahreszeiten, um Tiere im Wald oder um Entscheidungen.
Im Spiel zum Lied "Jahresuhr" sehen die Kinder ein Bild einer Sommerwiese mit einem Baum. Wie in einem Puzzle fehlen einzelne Teile. Sie sind in einem Extra-Fenster am Rand angeordnet. Die Kinder klicken nun auf eine leere Fläche und sehen eine Frage in Gebärdensprache, z. B. "Was scheint vom Himmel und ist heiß?" Dann ziehen sie das passende Bild, z. B. die Sonne, vom Rand in die Lücke.
Keine Hemmungen
Die junge Frau, die das Lied "Mal links, mal rechts" gebärdet, wiegt sich dabei sanft hin und her. Durch ihren Körper scheint eine Welle zu gehen. Die wogenden Klänge des Liedes kann man ihr förmlich ansehen. Das dazugehörige Spiel ist ein Wörterrätsel. Es geht um Metaphern. Die Kinder lesen oder sehen Wortpaare in Gebärdensprache wie "Schlange stehen" oder "gegen die Wand laufen". Dann sollen sie aus drei Erklärungen, ebenfalls in Schrift und Gebärde, die richtige auswählen. Ganz einfach sind die Fragen nicht. "Aber zum Glück haben Kinder ja keine Hemmungen, Dinge zu probieren", sagt Stefanie Trzecinski. "Und wenn sie etwas falsch haben, klicken sie einfach noch einmal."
Linktipps:
Mehr Infos zur Lernsoftware "Kleine Helfer"
Das Handlungsfeld "Inklusion leben: Barrierefreiheit" der Aktion Mensch
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(Autor: Katja Hanke)