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"Abenteuerlustig sollte man schon sein"

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Kay Lieker

Kay Lieker aus Solingen ist Rollstuhlfahrer und Teilnehmer des "weltwärts"-Programms. Er unterstützt zurzeit ehrenamtlich eine Nicht-Regierungsorganisation in Thailand. Das Ministerium für Entwicklungszusammenarbeit ermöglicht jungen Menschen mit dem Freiwilligendienst Aufenthalte in Entwicklungsländern. Bislang machten aber kaum Teilnehmer mit Behinderung mit. Die Initiative "weltwärts - alle inklusive" soll das ändern.

Kay Lieker war auch schon in der Vergangenheit reisefreudig - als Student betreute er Gruppen von Austauschschülern auf ihrem Weg in verschiedene europäische Länder. Von seinen Erfahrungen in Asien berichtet der 25-Jährige im Interview.


Sie leisten zurzeit einen Freiwilligendienst in Thailand. Wo genau sind Sie, und was machen Sie dort?
Ich bin in Bangkok bei "Disabled People International". Das ist eine weltweit tätige Nichtregierungsorganisation (NGO), die sich für die Rechte von Menschen mit Behinderung einsetzt. Ich arbeite im Bereich "Information Support", das heißt, ich beantworte E-Mails, schreibe für den Newsletter oder beantworte Anfragen. Ich kann aber auch bei verschiedenen Projekten inhaltlich mitarbeiten. Wir bereiten zurzeit einen Workshop zur Vernetzung von Behinderten-Selbstvertretungsinitiativen aus verschiedenen Ländern in der Mekong-Region vor. Und wir arbeiten an einer Fotoausstellung zum Thema Mädchen und Frauen mit Behinderung, die im UN-Hauptsitz in New York gezeigt werden soll.

Wie lange dauert Ihr Einsatz?
Ich bin seit November 2012 in Thailand und bleibe noch bis November dieses Jahres.

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, am "weltwärts"-Programm teilzunehmen?
Eine Bekannte hatte mich auf das Projekt "weltwärts - alle inklusive" hingewiesen. Damit soll erreicht werden, dass ab 2013/14 mehr Menschen mit Behinderung an Freiwilligendiensten teilnehmen. Eigentlich ging es zunächst darum, dass ich das Projekt mit Öffentlichkeitsarbeit unterstütze. Aber dann wurde ein Platz hier in Thailand kurzfristig frei. Weil ich gerade mein Studium der Politikwissenschaften abgeschlossen hatte, passte es ganz gut, so dass ich auch selbst teilnehmen konnte.

Welche Erfahrungen haben Sie als Rollstuhlfahrer in Thailand gemacht?
Die Situation ist nicht ganz einfach. Es gibt zum Beispiel sechsspurige Straßen, die man als Fußgänger über eine Brücke überqueren kann. Aber es sind keine Aufzüge vorhanden. Aus dem gleichen Grund ist es auch schwierig, als Rollstuhlfahrer die Hochbahn zu benutzen. Außerdem sind die Bürgersteige oft mit den typischen Garküchen oder von parkenden Autos blockiert. Dann muss ich teilweise auf der Straße fahren. Aber ich komme trotzdem gut zurecht und bin auch allein unterwegs. Ich wohne ich einem eigenen Apartment, das nicht weit vom Büro entfernt ist. Außerdem kann ich mich bei Problemen an meine Koordinatorin bei "Disabled People International" wenden. Sie ist auch Rollstuhlfahrerin.

Vermutlich gab es auch schon in Deutschland die eine oder andere Hürde zu überwinden, bevor es überhaupt losgehen konnte?
Das ging eigentlich ganz gut, auch wenn die Vorbereitungszeit von fünf Monaten etwas kurz war. Normalerweise sollte man ein Jahr einplanen. Es hat zwar eine kleine Verzögerung beim Visum-Antrag gegeben. Aber viel schwieriger war es, als ich vor einigen Jahren an einem sechsmonatigen Schüleraustausch in Australien teilgenommen habe. Da wollten die australischen Behörden alle möglichen Unterlagen und Gutachten wegen meiner Behinderung haben. Sie wollten zum Beispiel allen Ernstes wissen, ob sie ansteckend ist ...

Was würden Sie anderen jungen Menschen mit Behinderung sagen, die sich für einen Freiwilligendienst interessieren?
Ich würde es weiterempfehlen. Erfahrung im Ausland zu sammeln, ist immer gut. Allerdings sollte man schon auch ein bisschen abenteuerlustig sein.

Haben Sie schon Pläne für die Zeit nach Ihrem Freiwilligendienst?
Noch nichts Konkretes. Eventuell studiere ich weiter und mache noch meinen Master. Vielleicht kann ich meinen Aufenthalt hier auch noch um einige Zeit verlängern.


Mehr zum Thema:
Das Freiwilligen-Projekt "weltwärts - alle inklusive" für Menschen mit Behinderung
Die Freiwilligen-Datenbank der Aktion Mensch bietet zahlreiche Kontaktadressen von Initiativen und Projekten, die ehrenamtliche Unterstützer suchen
Das Projekt "Selbstverständlich freiwillig" vermittelt Menschen mit Behinderung in passende Einsatzplätze des Ehrenamts und begleitet sie
Bufdis mit Behinderung. Ein Blogbeitrag von Ulrich Steilen über Einsatzmöglichkeiten im Bundesfreiwilligendienst für Menschen mit Behinderung

(Autor: Stefanie Wulff)


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