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"Im Großen und Ganzen auf einem guten Weg"

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Matthias Rösch

Matthias Rösch, Landesbehindertenbeauftragter von Rheinland-Pfalz, im Interview über sein Amt, die politische Agenda für 2013 und seine Pläne für den neuen Job.
 

Matthias Rösch (46) hat Anfang des Jahres sein neues Amt als Landesbehindertenbeauftragter von Rheinland-Pfalz angetreten. Bisher war er Referatsleiter im Bereich Selbstbestimmung und Gleichstellung/Barrierefreiheit im Sozialministerium in Rheinland-Pfalz. Der Diplom-Psychologe ist außerdem grünes Stadtratsmitglied in Mainz, wo er sich neben anderen politischen Themen auch für die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention auf kommunaler Ebene einsetzt. Seit 1984 ist Matthias Rösch nach einem Verkehrsunfall Rollstuhlfahrer. Er lebt mit Persönlicher Assistenz und hat das Zentrum für selbstbestimmtes Leben behinderter Menschen (ZsL) Mainz e. V. mit aufgebaut.


Herr Rösch, was macht eigentlich ein Landesbehindertenbeauftragter?
Im Schwerpunkt hat er - oder sie - zwei Aufgaben: Zum einen ist ein Landesbehindertenbeauftragter dazu da, für die Rechte von Menschen mit Behinderung, die sich benachteiligt fühlen, einzutreten. Man kann sich persönlich an ihn wenden, dann versucht er, gemeinsam mit Kommunen, Behörden oder anderen Stellen eine Lösung für das Problem zu finden. Zum anderen hat ein Landesbehindertenbeauftragter aber auch einen politischen Auftrag. Er überprüft, ob Regelungen und Gesetze, die Menschen mit Behinderung betreffen, korrekt umgesetzt werden und er muss nachhaken, wenn es Probleme gibt. Das ist natürlich im Zuge der UN-Behindertenrechtskonvention besonders wichtig geworden. Hier will ich Impulse für die Umsetzung der UN-Konvention geben. Der Landesbeauftragte hat die Funktion des "Koordinierungsmechanismus". In Rheinland-Pfalz gibt es auch schon seit zehn Jahren ein Landesgleichstellungsgesetz, um gleichwertige Lebensbedingungen für Menschen mit und ohne Behinderung zu erreichen.

Was war Ihre persönliche Motivation, sich in diesem Amt zu engagieren?
Es war schon immer mein Anliegen, für Gleichstellung und gegen Diskriminierung einzutreten, auch aus eigener Erfahrung. Insofern ist es eine Herzensangelegenheit. Es gibt noch so vieles zu tun, in unterschiedlichen Bereichen. In Rheinland-Pfalz zu arbeiten, macht aber auch viel Spaß. Es gibt hier viele gute Modelle und Beispiele und eine breite Verankerung des Themas in der Landesregierung und auch in vielen Kommunen. Wir haben bundesweit die meisten Zielvereinbarungen zur Barrierefreiheit abgeschlossen, und weit über 5.000 Menschen mit Behinderung nutzen das Persönliche Budget als Alternative zum Wohnheim. Im Großen und Ganzen sind wir auf einem guten Weg, auch im bundesweiten Vergleich. Ich bringe diesen Prozess gerne weiter voran.

Welche Schwerpunkte haben Sie sich für die nächste Zeit in Rheinland-Pfalz vorgenommen?
Rheinland-Pfalz hat ja als erstes Bundesland einen Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention beschlossen. Jetzt geht es darum, diesen Prozess fortzusetzen. Bisher ist schon viel passiert, und es gibt auch gute Beispiele aus dem Bereich der Zivilgesellschaft. So hat zum Beispiel Boehringer Ingelheim als erstes Unternehmen einen eigenen Aktionsplan erstellt. Auch Kommunen und Verbände machen eigene Pläne. Nun geht es darum, neue Ziele und Maßnahmen zu formulieren. Ein weiterer Schwerpunkt ist, die Gesetze im Land zu verändern, um die UN-Behindertenrechtskonvention umzusetzen. In nächster Zeit steht zum Beispiel eine Novelle des Schulgesetzes an, durch die die Rechte von Eltern gestärkt werden sollen, die ihr behindertes Kind auf eine Regelschule schicken möchten. Auch die Landesbauordnung soll geändert werden, um mehr Barrierefreiheit zu erreichen.

Welche Themen werden 2013 bundesweit wichtig?
In diesem Jahr haben wir Bundestagswahl. Deshalb ist es wichtig, dass Menschen mit Behinderung als große Gruppe von Wählern auftreten und für ihre Anliegen eintreten. Wir haben zwar einen nationalen Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention. Die Realität von Menschen mit Behinderung sieht aber oft anders aus: Arbeitslosigkeit und eingeschränkte Mobilität, vor allem im ländlichen Raum, sind nur zwei der wichtigen Themen. Auch bei der Reform der Eingliederungshilfe gibt es noch einiges zu tun, z. B. mehr Gestaltungsspielräume für das Leben mit Assistenz in der Gemeinde. Der Bund muss sich an den entstehenden Kosten beteiligen.

Sie haben Ihr Amt gerade erst angetreten, was sagen Sie zu den Fußstapfen, die Ihr Vorgänger Ottmar Miles-Paul hinterlassen hat?
Zunächst einmal trete ich nicht hinein, ich hinterlasse Rollstuhlradspuren ... Aber im Ernst: Jeder hat seinen eigenen Stil und hinterlässt seine eigenen Spuren. Ich habe als Referatsleiter im Sozialministerium sehr eng und sehr gerne mit Ottmar Miles-Paul zusammen gearbeitet. Ich könnte mir vorstellen, dass wir nach einer Pause auch wieder einmal etwas Behindertenpolitisches von ihm hören werden.


Linktipps:
Homepage des Landesbehindertenbeauftragten von Rheinland-Pfalz
Zentrum für selbstbestimmtes Leben behinderter Menschen (ZsL) Mainz e.V.
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(Autor: Stefanie Wulff)


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