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Blind und mobil – dank Apps und weißem Stock

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Ein blinder Mann hält ein Smartphone mit Kopfhörer in seinen Händen

Inzwischen gibt es immer mehr Apps für Menschen mit Sehbehinderung. Könnten sie in der Zukunft vielleicht sogar den weißen Stock ersetzen? Unser Blogger Heiko Kunert hat sich mit der Frage beschäftigt.

Jährlich begehen blinde Menschen und ihre Verbände am 15. Oktober den Tag des weißen Stockes, um auf die Lage blinder und sehbehinderter Menschen hinzuweisen. Der Tag geht zurück auf eine symbolische Übergabe von weißen Stöcken an blinde Menschen, die US-Präsident Lyndon B. Johnson 1964 vorgenommen hat. Diese Aktion bedeutete den Durchbruch des Schutz- und Erkennungszeichens – hierfür hatte sich in Frankreich bereits in den frühen 1930ern eine Bewegung stark gemacht. 1969 schließlich machten die Vereinten Nationen den 15. Oktober zum Internationalen Tag des weißen Stockes.

Mobilitätstraining entwickelte sich weiter

Für blinde Menschen bedeutete der weiße Stock mehr Sicherheit im Straßenverkehr. Zum einen wurde mit der Anerkennung des Hilfsmittels sichergestellt, dass die Betroffenen von anderen Verkehrsteilnehmern als blind erkannt wurden, zum anderen bot die Erfindung des sog. Langstocks mehr Schutz, und das Orientierungs- und Mobilitätstraining entwickelte sich in den letzten 50 Jahren immer weiter. Eine Pendeltechnik stellt sicher, dass der Stock im wahrsten Sinne des Wortes immer einen Schritt voraus ist. Er warnt somit vor Stufen, Zäunen und parkenden Autos, hilft beim Auffinden von Zugtüren, Briefkästen oder Ampelpfosten.

Mobilitätstraining umfasst aber noch viel mehr. Auch die Orientierung über ein evtl. noch vorhandenes Sehvermögen, über das Gehör, den Tast- und manchmal auch den Geruchssinn werden unter professioneller Leitung geübt.

Apps bringen mehr Eigenständigkeit

Eine zunehmend große Bedeutung erfahren in den letzten Jahren auch Navigationsgeräte und Smartphone-Apps. Apps wie Ariadne-GPS bieten Pläne der Umgebung an, die mit dem Finger am Smartphone oder Tablet erkundet werden können. Blindsquare sagt Kreuzungen an und führt den Nutzer via akustischer Sprachausgabe zum nächsten Café, zur Bankfiliale oder zur Arztpraxis. Auch für die Navigation innerhalb von Gebäuden wird Blindsquare inzwischen eingesetzt.

Apps können den weißen Stock aber nicht ersetzen. Vielmehr sind sie eine Ergänzung. Bisher können Apps nicht vor jeder Bodenunebenheit warnen. Die Navigation ist in der Regel bisher nur auf wenige Meter genau, nicht aber auf Zentimeter. Apps können aufgrund leerer Akkus oder Empfangsschwierigkeiten ausfallen. Blinde Menschen sind weiterhin darauf angewiesen, dass Auto- und Radfahrer und andere Fußgänger Rücksicht nehmen. Der Stock – oder alternativ das weiße Führhundgeschirr – ist als sichtbares Zeichen unabdingbar. Der technische Fortschritt in Form von Apps bringt ein enormes Plus an Unabhängigkeit und Eigenständigkeit. Der weiße Stock wird aber auch die nächsten 50 Jahre zentral bleiben für eine sichere Orientierung blinder Menschen.

 

Linktipps:

Historischer Rückblick: Zur Geschichte des weißen Stockes

App-Überblick: Navigation für Blinde

Mobile Innovationen. Interview mit Matthias Lindemann zum Thema: „Technologieentwicklung und digitale Kommunikation“ beim Zukunftskongress „Inklusion 2025“

Schulbesuche mit dem Blindenführhund. Mirien Carvalho Rodrigues über die Unbefangenheit bei ihren Begegnungen mit Kindern

Zu früh. Heiko Kunert über eine unverhoffte Begegnung mit einem Mann, der wirklich alles über Blinde weiß – oder das zumindest denkt

Eine blinde Frau mit Führhund und weißem Langstock

(Heiko Kunert)


Zwei Postmänner auf Inklusionstour – Das Kennenlernen

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Frank Geier und Michael Wahl unterhalten sich lachend beim Kaffeetrinken

Michael Wahl ist blind und wird Paketzusteller Frank Geier einen Tag lang auf seiner Route durch Bonn begleiten. Die Glücksboten-Tour der Aktion Mensch und der Deutschen Post soll inklusive Begegnungen schaffen. Die beiden Teilnehmer haben sich vorab kennengelernt. Wie das war, erzählen sie hier.Frank Geier
Glücksbote und Paketzusteller

Ich hatte heute einen ungewöhnlichen Arbeitstag. Die Aktion Mensch hatte bei unserem Postbezirk angefragt, ob wir uns vorstellen könnten, gemeinsam mit Menschen mit Behinderungen auf einer Glücksboten-Tour die Post auszutragen – mit im Gepäck ein Glücks-Los der Aktion Mensch als Geschenk. Warum eigentlich nicht, dachte ich mir. Viele Haustüren sind einigermaßen gut mit dem Rollstuhl zu erreichen. Doch dann erfuhr ich, dass mein Partner für unser Briefträger-Tandem blind ist. Wie sollte das gehen? Das konnte ich mir nur schwer vorstellen.

Das gemeinsame Gehen klappte erstaunlich gut

Ich war sehr gespannt, als Michael für ein erstes Kennenlernen bei uns in der Verteilerzentrale Bonn-Beuel vorbeikam. Auf dem Flur hörte ich zuerst das regelmäßige Schleifen des Blindenstocks auf dem Boden. Seine Begleitung stellte uns einander vor, und wir gaben uns ohne viel suchen zu müssen die Hand. Später beim Rundgang durch die Filiale merkte ich, wie sicher Michael zu Fuß ist. Viele Dinge, die ich sah, fasste er mit den Händen an. Auch das gemeinsame Gehen klappte erstaunlich gut. Michael hielt sich einfach an meinem Oberarm fest. Die Glücksboten-Tour kann kommen, dachte ich.

Mit den Leuten an der Haustüre austauschen

Meinen Bezirk kenne ich in- und auswendig: Die Straßen, die Häuser und auch die Leute. Diesen wollen wir auf unserer Glücksboten-Tour am 2. November das alltägliche Leben von Menschen mit Behinderungen näher bringen. Wir wollen mit den Leuten ins Gespräch kommen, uns austauschen. Und dieses Mal wird auch Michael dabei sein, der sozusagen einen ganz anderen Blick auf die Welt hat.

Michael Wahl
Glücksbote und Tagespraktikant

Meine Finger gleiten durch einen metallischen Strebenwald. Hier liegt die Post einiger Bonner. „Jede Hausnummer hat ihr eigenes Fach, deshalb sind sie unterschiedlich breit“, erklärt Frank Geier. Tatsächlich, einige der Fächer sind breit – großes Mehrfamilienhaus, dann schmal – kleines Einfamilienhaus. Beim Spaziergang mit dem Zeigefinger bauen sich vor meinem inneren Auge Straßensilhouetten auf.

Unser Tandem wird sicherer

Frank und ich stehen im Verteilerzentrum der Deutschen Post in Bonn-Beuel. Alle Briefe und Pakete sind perfekt sortiert, damit sie das richtige Ziel erreichen. Einen Tag lang wird das unser gemeinsamer Job sein: Für Frank als Briefträger Alltag, für mich als blinder Tagespraktikant ganz neu. Doch auch Frank macht sich Gedanken. „Wenn du nichts siehst, wie bekomme ich dich dann aus dem Auto raus?“, fragt er mich grübelnd. „Kein Problem, ich bin gut zu Fuß“, beruhige ich ihn. Dann führt er mich weiter durch sein Reich der Pakete, und mit jedem Schritt wird unser Tandem sicherer.

Ein Job mit persönlichen Begegnungen

Bei unserem Rundgang überlege ich, wer da eigentlich unsere Post bringt. Der Briefträger kennt seinen Kiez und die Leute – ein Job mit vielen persönlichen Begegnungen. Genau um diese Begegnungen geht es uns: Zwei Postmänner, einer sehend, einer blind, die als Glücksboten im Auftrag der Aktion Mensch und der Deutschen Post ein bisschen inklusive Begegnung austragen und den Menschen mit einem Glücks-Los ein Lächeln ins Gesicht zaubern.

Den Weg zusammen gehen

Und schon das heutige Kennenlernen hat sich gelohnt. Diese erste Begegnung war sehr spannend. Frank hat sich genauso viel Gedanken um meine Behinderung gemacht, wie ich mir um die Post. So viele Briefe für ihn, so viele Barrieren für mich. Aber beides geht seinen Weg und diesen Weg werden wir nächste Woche ein Stück zusammen gehen.

 

Die Glücksboten-Tour der Aktion Mensch und der Deutschen Post am 2. November

Einen Tag lang liefern insgesamt zehn inklusive Paketboten-Tandems mit einem Zusteller mit Behinderung und einem Zusteller ohne Behinderung in fünf Zustellgebieten bundesweit die Post aus. Gemeinsam klingeln sie in Bayreuth, Bonn, Neunkirchen-Seelscheid, Wabern und Winsen an den Haustüren der Postkunden und bringen nicht nur die Pakete und Briefe, sondern auch eine „Glücksüberraschung“: ein Glücks-Los der Aktion Mensch.

 

Die Glücksboten-Tour auf unseren Social-Media-Kanälen mitverfolgen:

Hier twittern wir live von der Glücksboten-Tour

Auf Facebook bei der Glücksboten-Tour dabei sein

Alles über die Glücksboten-Tour bei Google+

Ein Video von der Glücksboten-Tour läuft ab dem 6. November auf YouTube

Michael Wahl und Frank Geier im Verteilerzentrum bei den SortierfächernFrank Geier und Michael Wahl im Verteilerzentrum mit einer gelben Postbox

(Redaktion )

Auf zum Abenteuerspielplatz!

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Leon und Marie klettern lachend über eine Holzleiter ins Schafgehege

Einmal in der Woche spielen Schüler und ehemalige Schüler eines Düsseldorfer Gymnasiums mit Kindern mit geistiger Behinderung auf einem Abenteuerspielplatz. Die Idee entstand während der Special Olympics.

Der Abenteuerspielplatz in Düsseldorf-Oberkassel ist ein kleines Paradies für Kinder: Es gibt Tiere, Schaukeln, Basketballkörbe, einen Baubereich, einen Floßteich und alte Fahrzeuge. Leider regnet es heute im Paradies. Trotzdem sind sie da: die Kinder Marie, Nadia und Nici und die Jugendlichen, die in den nächsten anderthalb Stunden mit ihnen spielen werden: Leon, Nicole, Zoé und Albert. Zumindest die Gesichter der Kinder verraten, dass ihnen das schlechte Wetter nichts ausmacht.

Die Großen sind für die Kleinen da

Jeden Dienstag treffen sich auf dem Abenteuerspielplatz Schüler und ehemalige Schüler des nahegelegenen Comenius-Gymnasiums zwischen 16 und 19 Jahren und Kinder mit geistiger Behinderung zwischen elf und 16 Jahren, von denen ein Teil die Franz-Marc-Förderschule besucht. Auch eine Mitarbeiterin der Lebenshilfe und eine Sozialpädagogin des Comenius-Gymnasiums sind dabei. Die Großen, also die Jugendlichen vom Comenius, betreuen die Kleinen, könnte man das Projekt zusammenfassen.

„Die Idee entstand, als in unserer Schule im vergangenen Jahr die Basketballspiele der Special Olympics ausgetragen wurden“, erklärt Leon. „Es hat uns viel Spaß gemacht, die Kinder mit Behinderung zu betreuen, und darum wollten wir das in irgendeiner Form fortsetzen.“ So entstand das Spielplatz-Projekt, das es seit April gibt.

Drinnen warten die Katzen

Heute zwingt der Regen die Gruppe, auch drinnen zu spielen. Das kommt Marie und Nadia ganz recht, denn im Haus des Abenteuerspielplatzes gibt es einen Raum, der etwas Besonderes birgt: junge Katzen, die noch drinnen bleiben müssen, um sich an ihre neue Umgebung zu gewöhnen. Eine Mitarbeiterin lässt Zoé, Marie und Nadia zu ihnen. „Ich hätte gerne einen Hund“, verkündet die elfjährige Marie, während sie die Katzen lockt. „Aber meine Mutter will das nicht. Und eine Katze auch nicht.“

Gut, dass Marie auf dem Spielplatz auch mit Schafen, Ziegen und Meerschweinchen spielen und sie streicheln kann. Dass man über eine Holzleiter ins Schafgehege klettern muss, stört sie nicht.

„Als wäre ich selbst noch mal Kind“

Nadia schaukelt. Nicht sehr hoch, nur sacht auf und ab, aber sie strahlt, als hätte ihr jemand ein wunderschönes Geschenk gemacht. Neben ihr schaukelt Leon. Nici, heute der einzige Junge, spielt derweil Billard mit Albert. Noch ist die Truppe klein, sodass häufig mehr als eine Eins-zu-Eins-Betreuung möglich ist. Acht Comenius-Schüler und ehemalige Schüler machen mit, während manchmal nur vier Kinder kommen. Die Motivation der Betreuer mindert das nicht. „Ich liebe es, mit den Kindern zu spielen“, sagt Albert (17). „Sie sind so voller Energie, und ich fühle mich, als wäre ich selbst noch mal Kind.“

Das Projekt steckt noch in den Anfängen. Es können gerne noch mehr Kinder mit geistiger Behinderung kommen. Beim ersten Mal sollten die Eltern Zeit mitbringen, um gegebenenfalls dazubleiben. Wer mehr erfahren möchte, ruft beim Abenteuerspielplatz an, Tel. 0211 574871, oder bei Ulrike Steinborn, Sozialpädagogin am Comenius-Gymnasium, Tel. 0211 8923721.

 

Abenteuerspielplatz Oberkassel

Brüggener Weg 8, 40547 Düsseldorf

Treffen: dienstags, 17–18.30 Uhr

 

Linktipps:

Alle Infos rund um den Abenteuerspielplatz Oberkassel

Das Comenius-Gymnasium stellt sich vor

Mehr über die Franz-Marc-Förderschule

„Es gehört sich einfach, dass Inklusion normal ist“. Werner Grosch über den inklusiven Kölner Kinderkultursommer

Momo im Hinterhof. Gundel Köbke über ein integratives Tanztheater für Kinder

Skateboarden inklusiv! Eva Keller über einen inklusiven Skateboard-Workshop in Frankfurt

Ein großes Schild mit dem Lageplan des AbenteuerspielplatzesNicole und Nadia auf einer SchaukelZoé, Marie und Nadia füttern eine schwarze Katze

(Ute Stephanie Mansion)

Zwei Postmänner auf Inklusionstour – Unterwegs

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Frank und Michael übergeben Päckchen und Glücks-Los an eine lachende Postkundin

Michael Wahl ist blind und hat Paketzusteller Frank Geier auf der Glücksboten-Tour der Aktion Mensch und der Deutschen Post begleitet. Gemeinsam haben sie inklusive Begegnungen geschaffen und jedem Paketempfänger ein bisschen Glück nach Hause gebracht. Wie erzählen sie hier.Frank Geier
Glücksbote und Paketzusteller

Heute wollte ich mir für meine Route viel Zeit nehmen. Denn ich war mit Michael unterwegs und wir hatten neben dem Zustellen von Paketen noch den zusätzlichen Auftrag, den Empfängern Glücks-Lose zu überreichen. Außerdem rede ich sehr gerne mit meinen Kunden, und heute hatten wir ja auch noch hundert Themen mehr im Gepäck!

Ohne Probleme auf Tour

Wir fahren los und ich bin ein wenig aufgeregt, wie das gleich mit dem Führen klappt. „Ich bin eigentlich nicht sehr nervös“, hat Michael vorhin gesagt, „nach ein, zwei Kaffee geht das alles.“ Und tatsächlich – wir kommen ohne Probleme zu jedem Haus. Mit den Leuten kommen wir gut ins Gespräch. Die meisten sehen gar nicht so überrascht aus, wenn wir zu zweit vor der Tür stehen. Wir wechseln uns ab. Manchmal übergebe ich das Paket, manchmal Michael. Außerdem haben wir mit dem Glücks-Los immer noch ein gern gesehenes Geschenk dabei.

Tour mit verbundenen Augen

Am Anfang der Tour erkläre ich Michael noch ziemlich viel. Wie der Scanner funktioniert, warum es auf den Paketen immer zwei Codes gibt oder auch, dass man mit mehr Erfahrung immer schneller im eigenen Bezirk wird, weil man die Leute und die Umgebung irgendwann gut kennt. Ich überlege, ob ich meine Tour mit verbundenen Augen machen könnte? Ich glaube nicht. „Stimmt, ich als Blinder könnte die Tour nicht machen. Aber es gibt ja Menschen mit anderen Handicaps, die sicherlich viel Freude an deinem Job haben würden“, überlegt Michael.

Unverkrampfte Begegnung

Die Tour heute war ein besonderes Erlebnis für mich. Nicht nur, dass wir vielen Menschen aus meinem Bezirk eine sehr spontane und unverkrampfte Begegnung mit einem blinden Menschen ermöglichen konnten. Auch für mich persönlich war die Begegnung sehr lehrreich und hat mir einfach Spaß gemacht.

Michael Wahl
Glücksbote und Tagespraktikant

Heute ging es auf die Straße. Dabei war für mich nicht nur der Job als Zusteller eine Premiere, sondern auch die Fahrt in einem Elektrofahrzeug. Franks Postauto fährt mit Strom. Das wäre für viele sicherlich von keiner großen Bedeutung. Ich aber kann die Landschaft draußen nicht an mir vorbeiziehen sehen und höre auf meine Umgebung. Und in Franks E-Auto war es fast absolut still – ein bisschen war das wie Schweben.

Ein Gruß an jeder Ecke

Der Tag draußen ist ungewöhnlich sonnig und hell für November, sogar noch einige Vögel sind zu hören. Frank hat nicht zu viel versprochen: An fast jeder Ecke grüßt er Leute, kurbelt das Fenster runter und unterhält sich kurz. Mit den Leuten an der Haustür wird es sicherlich leicht ins Gespräch zu kommen.

Zeit für Glück

Dann halten wir an der ersten Lieferadresse. Ein kurzes Klingeln und die Tür öffnet sich. „Die Post“, sagt Frank – „und ein Praktikant“, ergänze ich. Frank übergibt der Frau ihr Paket und erklärt, warum ich ihn begleite. „Das ist eine gute Idee“, meint die Herrin des Hauses, „ich finde es gut, wenn Menschen mit und ohne Behinderungen mehr Kontakt haben.“ Ich höre, wie Frank das digitale Scangerät für die Unterschrift einpackt. Es wird Zeit für ein bisschen Glück. Ich übergebe ihr den Umschlag. Dabei fällt mir das Glücks-Los, das ich als Glücksbote der Aktion Mensch heute für alle Paketempfänger dabei habe, fast auf den Boden. Dann aber finde ich ihre Hand.

Unbefangenes Gespräch

Vor allem die guten Gespräche haben den Tag heute so interessant und auch erfolgreich für mich gemacht. Wir haben viel erfahren: zum Beispiel, dass ein Kunde gerade ein Spielzeug für Kinder mit Behinderungen entwickelt und wir ihm das passende Werkzeug geliefert haben. Ich hoffe, dass die Menschen auch einen kurzen Blick in meine Welt werfen konnten und beim nächsten Zusammentreffen mit einem blinden Menschen ein wenig unbefangener ins Gespräch kommen.

Linktipps:

Zwei Postmänner auf Inklusionstour – Das Kennenlernen. Die Glücksboten Frank und Michael über ihre erste Begegnung

Mehr Infos über die Glücksboten-Tour von Deutsche Post und Aktion Mensch

(Redaktion )

„Und, bitte!“ – Vom Kinderzimmer ins TV-Programm

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Ninia Binias breitet vor einem geöffneten Kleiderschrank lachend die Arme aus

Schon als Kind hat Ninia Binias, alias Ninia LaGrande, mit ihrem Kassettenrekorder eigene Radio-Sendungen produziert – heute moderiert die Autorin und Poetry-Slammerin zwei TV-Magazine.

Als ich vier Jahre alt war, bekam ich einen Kassettenrekorder geschenkt. Statt nur Kassetten zu hören, fand ich es aber interessanter, meine eigenen Radio-Sendungen aufzuzeichnen. Ich quatschte die Kassetten voll, erfand Interviewpartner, die ich dann mit verstellter Stimme selbst sprach, und spielte dazwischen ein paar Lieder. Einige Jahre später stand ich wahlweise unter der Dusche oder mit Haarbürste in der Hand in meinem Zimmer und moderierte sämtliche Preisverleihungen für mein unsichtbares Publikum. Mein Vater sagte mal zu mir: „Mir war klar, dass das mit dir nicht auf einen vernünftigen Ausbildungsberuf hinausläuft.“ Und er sollte Recht behalten.

Loch in den Bauch gefreut

Ich moderiere seit vielen Jahren auf Theater- und Poetry-Slam-Bühnen. Aber Gastgeberin für das eigene Magazin im Fernsehen zu sein, ist nochmal eine ganz andere Nummer. Als ich die Zusage für „Ninias Fashion Mag“ und „Ninias Style der Woche“ erhielt, habe ich mir ein Loch in den Bauch gefreut. 17 Drehtage, plus drei Tage im Tonstudio – so sah der Plan aus. In Berlin und Hamburg habe ich Menschen besucht, die in der Modebranche arbeiten, und mit einem tollen Team alle Anmoderationen und Vorspänne gedreht. In Köln hatte ich mein eigenes Studio, inklusive Schaufensterpuppen, Blümchen und antiken Holzanzieh-Püppchen – alles, was man als Style-Expertin so braucht.

Bis eine Einstellung im Kasten ist, dauert es übrigens ein bisschen. Das Licht muss für jede Szene neu eingerichtet werden, die Kamera ebenso. Dann kann die Moderatorin den Text nicht immer ohne Verhaspeln vortragen (*hüstel*) und jede Moderation wird aus verschiedenen Blickwinkeln mehrmals aufgenommen, damit im Anschluss alles schön zusammengeschnitten werden kann. Ich musste also mehrmals fröhlich lächelnd auf die Kamera zulaufen oder meinen Gast gleich fünfmal hintereinander so begrüßen, als hätten wir uns noch nie gesehen. Das ist lustig und anstrengend zugleich. Für die Abendstunden hatten wir ein Mantra, wenn alle ein bisschen müde waren: „Inneres Lächeln, Ninia!“, rief Laura, Produktionsvolontärin, dann immer und zwinkerte.

Inklusion im Fernsehen ist möglich

Meine Körpergröße war von Anfang an kein Problem für irgendwen. Es wurde nicht einmal thematisiert, ob sie ein Problem sein könnte. Das fand ich sehr angenehm. Ich hatte eine kleine Kiste, auf der ich ab und an stand, wenn ein Gast im Studio wesentlich größer war als ich. Aber diese Kiste war eben einfach da – sie wurde nicht begründet. Das ist für mich der Beweis, dass Inklusion im Fernsehen – auch im Privatfernsehen – möglich ist. Unsere Zuschauerinnen und Zuschauer haben sich ebenfalls nicht daran „gestört“, im Gegenteil, ich habe viel positives Feedback bekommen.

Ich wollte ein Magazin moderieren, das cool, bunt und divers ist, ohne ständig betonen zu müssen, wie außergewöhnlich diese Diversität in der deutschen Fernsehlandschaft ist. Einfach so tun, als sei es das Normalste von der Welt, dass eine Kleinwüchsige eine Sendung über Mode moderiert. Und spätestens seit der ersten Ausstrahlung ist es das ja auch.

Die neue Staffel von „Ninias Fashion Mag“ startet am 21.11.2015 um 09:15 Uhr auf RTL

Shopping mit Ninia LaGrande

Sehen Sie auch das Video zu diesem Beitrag

Linktipps:

Nachhaltigkeit, Mode, Persönlichkeit. Ninia LaGrande im Gespräch mit leidmedien.de

Nach Maß. MENSCHEN. das magazin über Projekte, die Mode (nicht nur) für Menschen mit Behinderung optimieren wollen

Rollstuhlgerechte Mode – eine Entdeckungsreise. Marie Gronwald über zeitgemäße und vor allem erschwingliche Mode für Menschen im Rollstuhl

Inklusion und Mode: Mehr Mut bitte. Anastasia Umrik über die Berliner Fashion Week und Inklusion in der Modewelt

(Ninia Binias)

Engagierte Diskussion über ABA

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Die Teilnehmer und der Moderator der Podiumsdiskussion sitzen in einer Reihe an Tischen.

Ist ABA„Umerziehung“ oder „Vermittlung lebenspraktischer Kompetenzen“? In den letzten Wochen entwickelte sich in den sozialen Netzwerken eine kontroverse Diskussion über Therapieangebote für Kinder mit frühkindlichem Autismus, die sich an ABA (Applied Behaviour Analysis) orientieren.

Dabei handelt es sich um ein Förderprogramm, das auf der Analyse des Verhaltens aufbaut und Eltern stark in die Therapie miteinbezieht. Die Kritik der ABA-Gegner richtete sich auch an die Aktion Mensch, die ein ABA-basiertes Projekt, das „Bremer Elterntraining“ (BET), fördert.

Uns ist sehr an einer Versachlichung der Diskussion und einem offenen Austausch der Positionen gelegen. Daher haben wir am gestrigen Donnerstag die Vertreter der unterschiedlichen Ansätze – Menschen mit Autismus, Therapeuten, Eltern, Mediziner und Wissenschaftler – zur Aktion Mensch eingeladen, um über Pro und Contra von ABA zu sprechen. Unser Ziel war, mit einem Fachgespräch eine Plattform für die direkte Kommunikation zu bieten – anstatt in Netzwerken und Blogs unter sich zu bleiben.

Wir haben ein engagiertes und differenziertes Gespräch erlebt, in dem Argumente ausgetauscht und Bedenken formuliert wurden. Vorstand Armin v. Buttlar formulierte als erstes Fazit: „Es ist positiv, dass wir miteinander und nicht übereinander geredet haben. Wir haben gesehen, dass es weniger Schwarz und Weiß gibt, sondern viele Grautöne.“

Die drei Experten auf dem Podium haben im Anschluss an die Veranstaltung ihre Position kurz zusammengefasst und ihre Einschätzung des Gesprächsergebnisses formuliert. Eine tatsächliche Annäherung der Positionen hat nicht stattgefunden, aber man hat sich gegenseitig zugehört und vielleicht den Anstoß für eine weitergehende Auseinandersetzung mitgenommen.

Wolfgang Rickert-Bolg, Diplom-Psychologe und Psychotherapeut, Leiter des Autismus-Therapiezentrums Osnabrück, und Mitglied der Fachgruppe Therapie von autismus Deutschland e.V.:

„Für mich ist ABA nicht menschenrechtswidrig und kann bei Kindern mit starker Ausprägung der Störung sehr hilfreich sein. Aber ich habe auch Kritik und erlebe, dass die Eigenständigkeit der Betroffenen in der Praxis oft zu wenig beachtet wird. Die Grundregeln von Therapie sollten immer ein partizipativ sein: So viel äußere Struktur wie nötig, so viel Selbstbestimmung wie möglich. Es ist unverzichtbar, die Eltern bei der Verarbeitung der Behinderung ihres Kindes zu begleiten.

Die Kritik der Betroffenen, die Herr Knauerhase eingebracht hat, ist für mich insofern nachvollziehbar, als in der Praxis immer wieder eine einseitige Anpassung an die Regeln der Gesellschaft betrieben wurde und wird. Autistisches Verhalten ist eine Anpassungsleistung, deren Sinn verstanden werden muss, um dann wo nötig mit dem Betroffenen produktivere Strategien zu entwickeln. Die einseitige Anpassung der Gesellschaft an die Vorstellungen der Betroffenen kann aber auch nicht die Lösung sein.

Mein Fazit ist zwiespältig: Ich fand es gut, dass die Aktion Mensch die Gelegenheit geschaffen hat, ins Gespräch zu kommen. Eine Annäherung habe ich aber nicht erlebt. Die Macht der Polarisierung war offenbar zu stark.“

Aleksander Knauerhase, Dozent zum Thema Autismus, Autist und Blogger:

ABA und daran angelehnte Therapieverfahren bedeuten für autistische Kinder eine andauernde Konditionierung, mindestens 20 Stunden pro Woche bis zur gesamten Wachphase des Kindes. Eltern kommen als 'Co-Therapeuten' zum Einsatz. Therapiert wird vor allem im Zuhause des autistischen Kindes. Das Kind verliert die Eltern als neutrale und sichere Bezugspersonen und gleichzeitig seinen sicheren Rückzugsort.

Diese Therapieformen beruhen auf dem Menschenbild, das Autisten defekt seien und ihr 'gelerntes autistisches Verhalten vergessen und ein neues Verhalten erlernen' sollten. Autisten sollen auf eine nicht-autistische Verhaltensweise umerzogen werden. Mögliche negative Auswirkungen auf die Psyche der Autisten werden nicht untersucht. Als Autist und Inklusionsbotschafter kann ich diese Umstände nicht gut heißen. Ich spreche mich daher gegen ABA aus.

Mein Fazit zur Veranstaltung: Der Zweck heiligt nicht die Mittel.“

Claus Lechmann, psychologischer Psychotherapeut und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut, Leiter des AutismusTherapieZentrums Köln, das eine eigene ABA-Abteilung hat, Mitglied des wissenschaftlichen Beirats von autismus Deutschland e.V.

„Fördermethoden für autistische Kinder, bei denen eine empirische Wirksamkeit nachgewiesen werden konnte, basieren fast ausschließlich auf verhaltenstherapeutischen bzw. ABA-Methoden.

Die Kritik am ABA-Ansatz kumuliert in dem Vorwurf, hier gehe es um eine Umerziehung ähnlich wie früher bei Linkshändern. Dieser Vergleich missachtet aus meiner Sicht die extreme Not von Kindern mit frühkindlichem Autismus. Diese Kinder sind in ihren sozial-kommunikativen Fähigkeiten meist so eingeschränkt, dass sie basalste menschliche Bedürfnisse nicht befriedigen können. Umso mehr sind sie und ihre Eltern auf wirksame Hilfe und Unterstützung angewiesen. Ein Vergleich zwischen Umerziehung bei Linkshändigkeit und systematischer Förderung nach ABA zum Aufbau wichtiger Fähigkeiten erscheint mir daher unpassend.

Jede Therapiemethode muss und soll es sich gefallen lassen, auf dem Prüfstand zu stehen. Gerade die Vielfältigkeit in der Art der Anwendung von ABA-Methoden verhindert aber eine pauschalisierte Beurteilung. Im Vergleich zu vielen anderen Ansätzen kümmert sich die ABA-Community aber um eine ständige Verbesserung, empirische Überprüfung und Anwendung ethischer Standards. Gerade die ethischen Standards sollten überall Anwendung finden, um insbesondere bzgl. der Ziel- und Umsetzung der Methoden das passende Maß zu halten.

Zur gestrigen Veranstaltung: Ich halte Kommunikation über ABA-basierte Therapien, wie sie hier stattgefunden hat, auf jeden Fall für wichtig.“

Dieser Blogbeitrag gibt die Positionen von Podiumsteilnehmern aus der Gesprächsrunde wieder. Hier im Blog kann weiter diskutiert werden.

(Redaktion )

Zusammen durchs Studium

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Eine Frau von hinten, ihr gegenüber sitzt ein Mann.

Stephan ist 25, ein kluger Kopf und studiert Bauingenieurwesen in Bremen. Dass er nach der Uni beste Chancen auf einen Job hat, ist dennoch alles andere als selbstverständlich – Schule, Berufsbildung und Uni machen es Menschen mit Autismus nicht immer leicht. Doch zusammen mit seiner Jobpatin Kristina räumt er eine Barriere nach der anderen aus dem Weg.

Alles begann mit einem Aufruf am Fachbereich Psychologie der Universität Bremen. Der Verein Autismus Bremen e.V. suchte studentische Paten, die Menschen mit Autismus bei der Berufsorientierung und Jobsuche unterstützen. Für Kristina kam das Angebot genau zur rechten Zeit: „Mir genügte die Theorie an der Uni nicht mehr – ich wollte möglichst schnell rein in die Praxis. Und das geht am besten über persönliche Begegnungen.“ So lernte sie Stephan kennen, inzwischen im 9. Semester Bauingenieurwesen und mit besonderem Faible für alles, was mit Verkehr zu tun hat. 

„Es hat sich so etwas wie eine kleine Freundschaft entwickelt.“

Seit inzwischen zwei Jahren wälzen sie zusammen Vorlesungsverzeichnisse, checken Prüfungstermine, stellen Wochenpläne auf und überlegen gemeinsam, welches Pensum passt. Manchmal gehen sie gemeinsam zu einer Sprechstunde und klären beispielsweise, ob Stephan eine Prüfung in einem Extra-Raum schreiben kann, in dem die anderen Studierenden nicht für Ablenkung sorgen. Doch es geht nicht nur ums Studium. Stephan erzählt: „Ich mache gerade meinen Führerschein, den ich als Bauingenieur benötige. Kristina hat mich zur Anmeldung in der Fahrschule begleitet und dem Fahrlehrer erklärt, was es mit Asperger auf sich hat.“ Kristinas besonderer Bonus: Sie kommt von außen, ist kein Familienmitglied, sondern eine Gleichaltrige, die sich in derselben Lebensphase befindet und so einen ganz anderen Zugang zu ihrem Mentee hat. Sie sagt: „Es hat sich so etwas wie eine kleine Freundschaft entwickelt.“

Weil es so nicht weitergehen konnte

Stephans Mutter, Gudrun Löser-Dee, merkte schon in der Schule, dass Menschen mit Asperger-Syndrom, einer leichten Form von Autismus, schnell durchs Raster fallen: „Ob Schule, Agentur für Arbeit oder Studium, immer wieder müssen Autisten Hürden überwinden, weil oft die Rahmenbedingungen ihren Bedürfnissen angepasst werden müssen.“ Bis zu 90 Prozent der Menschen mit Autismus sollen von Arbeitslosigkeit betroffen sein. Löser-Dee und weitere Eltern wollten sich nicht damit abfinden und setzten 2010 mit ihrem Verein Autismus Bremen e.V. das Projekt Jobpaten auf.

Der Verein übernimmt die Schulung der Paten und begleitet sie auch während ihres Engagements. So stehen immer zwei erfahrene Autismusexperten als Ansprechpartner zur Verfügung. Zusätzlich bieten die monatlichen Jobpatentreffen Gelegenheit zum Austausch. Neun Jobpaten sind derzeit in Bremen im Einsatz, weitere sind herzlich willkommen.

Kristina ist inzwischen mit der Uni fertig, arbeitet im Personalbereich und hat viel zu tun. Die Zeit, sich alle 2-3 Wochen mit Stephan zu treffen, nimmt sie sich trotzdem. Beziehungen müssen eben wachsen. Sich jetzt rauszuziehen, bevor Stephan das Studium abgeschlossen und einen Job gefunden hat, wäre schlechtes Timing.

 

Inklusion bedeutet, dass jeder Mensch nach seinen individuellen Möglichkeiten selbstbestimmt leben und am gesellschaftlichen Leben teilhaben kann. Dieses selbstverständliche Miteinander erreichen wir nur, wenn sich möglichst viele Menschen für eine inklusive Gesellschaft einsetzen und sie mitgestalten – zum Beispiel durch freiwilliges Engagement. Die Aktion Mensch bietet mit ihrer Freiwilligen-Datenbank einen Überblick über die zahlreichen Möglichkeiten: Menschen mit und ohne Behinderung können aus mehr als 13.000 Angeboten  das passende Engagement auswählen. 
 
Weitere Ideen für inklusives Engagement finden Sie in der Freiwilligen-Datenbank.

(Henrik Flor)

Kicken mit den Profis

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Kinder und Jugendliche in Fußballtrikots haben die Köpfe zusammen und rufen ihren Motivationsspruch.

Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderung waren am Wochenende bei den Fußballern der Eintracht Frankfurt zu Besuch. Bevor sie das Bundesliga-Spiel der Profis live erlebten, haben sie zusammen gekickt. Auch der 16-jährige Julius war bei der Veranstaltung von Aktion Mensch, der Bundesliga Stiftung und der Eintracht Frankfurt Fußballschule dabei.

Das war ein super Tag! Wir wurden unter anderem von ehemaligen Eintracht-Profis wie Erwin Skela, Manfred Binz und von Lars Wurst, Spieler der Deutschen Nationalmannschaft der Amputierten, trainiert. Zu Beginn haben wir alle ein Eintracht Frankfurt-Trikot bekommen. Dann ging das Training los. Wir waren 50 Jugendliche, Mädchen und Jungen, mit und ohne Behinderung und haben zwei Stunden lang das Beste gegeben. Die Trainer haben uns gezeigt, was wir gut machen und was wir anders und besser machen können. Laufen, dribbeln, Torschüsse, das komplette Trainingsprogramm. Alle waren dabei und haben gekämpft. Wir waren ganz schön fertig am Schluss. Besonders spannend war für mich der Blindenfußball mit Blindenfußballbundesliga-Spieler Marcel Heim. Mit verbundenen Augen zu spielen, den Ball anhand von Geräuschen zu verfolgen und dabei die Orientierung zu behalten, war extrem schwierig.

Da waren keine Unterschiede

Besonders begeistert hat mich, dass es im Trainingüberhaupt keine Rolle gespielt hat, wer welche Dinge gut oder nicht so gut geschafft hat. Wir alle haben von Anfang an versucht, das Beste zu geben. Wir hatten einen tollen Teamgeist, im Mannschaftsspiel haben sich alle gegenseitig unterstützt. Die Trainer waren da auch gnadenlos. Wer nicht vollen Einsatz gebracht hat, wurde entsprechend rangenommen. Dieses Training war für mich ein ganz besonderes Erlebnis. So von Bundesliga-Spielern trainiert zu werden, in der Schule eines Bundesliga-Vereins, das fühlt sich schon super an. Wie fühlt sich das wohl erst für Bundesliga-Spieler an, wenn sie Teil einer Profi-Mannschaft werden?

Charly Körbel hat uns eingeladen

Nach dem Training ging es ins Eintracht Museum. Charly Körbel, der Leiter des Jugendfußballclubs von Eintracht Frankfurt (ehemaliger Bundesliga-Spieler mit über 600 Einsätzen), hat uns dort zum Mittagessen eingeladen und über die Eintracht erzählt. Er war super nett und richtig cool. Seine Späße und Stories waren für uns alle total spannend. Im Museum wurde klar, welche Rolle Charly Körbel für Frankfurt gespielt hat. So viele Erfolge und Trophäen für den Verein, das hat mich umgehauen.

Zu essen gab es SpaghettiBolognese, richtig lecker, und vor dem Spiel haben wir noch alle einen Fan-Schal für das Spiel gegen Leverkusen bekommen. Obwohl ich ja eigentlich BVB-Fan bin, bei so viel Gastfreundschaft war für mich klar, heute ist Eintracht-Tag. Leider haben sie verloren!

Ich würde mir wünschen, dass möglichst viele Bundesliga-Vereine uns Jugendlichen, egal ob Mädchen oder Jungen, ob mit oder ohne Behinderung, häufiger die Chance gäben, solche Tage zu erleben, vielen Dank dafür.

Ein Blog-Beitrag von Julius v. Buttlar

 

Link-Tipps

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"Lernort Stadion" bei Borussia Dortmund

Infos zur Kooperation der Aktion Mensch mit der Bundesliga-Stiftung

Alle Teilnehmer, Trainer und Gäste bei der Fußballschule sind auf einem Gruppenbild und haben die Faust in die Höhe.Ein Junge mit Augenbinde schießt den Ball.Kinder sind beim Fußballtraining. Im Hintergrund ist Charly Körbel zu sehen.Ein Trainer mit einem Bein spielt mit Krücken Fußball. Kinder stehen um ihn herum und lernen von ihm.

(Redaktion )


Angler-Latein in Gebärdensprache

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Drei Personen sitzen auf einem Steg und angeln.

Angeln in öffentlichen Gewässern darf man nur mit einer Erlaubnis. Wer den nötigen Fischereischein nicht besitzt – so wie viele Gehörlose – ist faktisch vom Fischefangen ausgeschlossen. Engagierte Angler in Nordfriesland wollen das ändern. Im September startet der nächste Lehrgang für Gehörlose in Gebärdensprache.

Die Initiative ging von einem gehörlosen Auszubildenden im Husumer Theodor-Schäfer-Berufsbildungswerk aus. Er wollte selbstständig angeln gehen und brauchte dafür den Fischereischein. Mit dem Pastor des Berufsbildungswerks hatte er schnell einen Verbündeten für sein Vorhaben gefunden. Der Pastor sprach Jürgen Töllner an, der ebenfalls im Werk arbeitete und Vorsitzender des Kreisanglerverband Nordfriesland e.V. ist. Auf dem kurzen Dienstweg organisierte Töllner die nötigen Gebärdensprachdolmetscher und sorgte dafür, dass die Kosten für die Dolmetscher aus dem Topf der Fischereiabgabe des Landes bezahlt wurden. Jürgen Töllner sieht sein Engagement norddeutsch-pragmatisch: „Gehörlose Angler konnten sonst nur in Begleitung eines Fischereischein-Inhabers angeln gehen. Das war für viele kein Dauerzustand. Und wir als Verband konnten helfen.“  

Wie heißt Brasse in Gebärdensprache?

Der erste Kurs lief 2011 mit einem knappen Dutzend Teilnehmern in Husum. Eine Dolmetscherin hatten sich zuvor in die Fachbegriffe eingearbeitet. In acht Unterrichtsblöcken ging es um Gewässerkunde, den richtigen Umgang mit dem Gerät, um rechtliche Aspekte und vieles mehr. Am Ende standen die Prüfung und die feierliche Übergabe des bestandenen Scheins.

Am 10. September 2015 beginnt der nächste Durchgang. John Hoxhaj hat sich bereits angemeldet. Der 20-Jährige ist Auszubildender im Bereich Technisches Produktdesign im Theodor-Schäfer-Berufsbildungswerk. Schon als Kind hat er sein Faible fürs Angeln entdeckt und war oft mit seinem Großvater unterwegs. Er erzählt: „Für mich ist alles am Angeln interessant, weil man sehr viel dabei lernen kann. Es wird nie langweilig.“ Warum er sich für den Kurs angemeldet hat? „Ich will nicht nur an Privatgewässern angeln dürfen, sondern überall. Das ist doch viel besser.“

Der Verband, der inklusiv denkt

Der Kreisanglerverband macht sich auch an anderer Stelle dafür stark, dass niemand vom Angeln ausgeschlossen ist. Jürgen Töllner berichtet: „Bislang haben wir sechs Rollstuhlplätze für Angler angelegt. Man kann mit dem Auto direkt ranfahren und seine Angel von einem befestigten Steg auswerfen.“ Für Vereine und Engagierte, die Rollstuhlplätze einrichten wollen, hat der Kreisanglerverband alle Infos – von baulichen Voraussetzungen bis hin zum Genehmigungsverfahren – auf einer CD zusammengestellt.

Für John Hoxhaj soll der Lehrgang erst der Anfang sein. Für ihn ist klar, dass er künftig mit anderen zusammen angeln möchte. Am besten in einem Verein. Sein Wunsch an die künftigen Vereinskameraden: „Es wäre schön, wenn sie sich ein wenig die Gebärdensprache aneignen könnten. Dann würden vielleicht auch mehr gehörlose Menschen in den Verein kommen. Dass wir ein wenig gleichgestellter wären, das wäre schön!“

Der Fischereischein-Lehrgang für Gehörlose findet vom 10.9.2015 bis zum 22.10.2015 in Husum statt. Die Anmeldung ist über die Internetseite des Kreisanglerverbands möglich. Das Prüfungszeugnis wird von anderen Bundesländern anerkannt.

Inklusion bedeutet, dass jeder Mensch nach seinen individuellen Möglichkeiten selbstbestimmt leben und am gesellschaftlichen Leben teilhaben kann. Dieses selbstverständliche Miteinander erreichen wir nur, wenn sich möglichst viele Menschen für eine inklusive Gesellschaft einsetzen und sie mitgestalten – zum Beispiel durch freiwilliges Engagement. Die Aktion Mensch bietet mit ihrer Freiwilligen-Datenbank einen Überblick über die zahlreichen Möglichkeiten: Menschen mit und ohne Behinderung können aus mehr als 13.000 Angeboten  das passende Engagement auswählen.


Weitere Ideen für inklusives Engagement finden Sie in der Freiwilligen-Datenbank.

(Henrik Flor)

Barrieren in den Köpfen

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Dennis Winkens bei der Pressekonferenz zum Inklusionsbarometer der Aktion Mensch mit Sascha Decker, Armin von Buttlar, Bert Rürup und Klaus Gierse

Die Aktion Mensch hat das Inklusionsbarometer Arbeit in Berlin vorgestellt. Mit dabei war auch Online-Redakteur Dennis Winkens. Er sitzt im Rollstuhl und erzählt aus seiner ganz persönlichen Sicht, was beim Thema Arbeit möglich ist.

Seit dem 17. Lebensjahr bin ich ab dem Hals abwärts gelähmt. Das ist aber noch lange kein Grund, zu Hause zu bleiben – das kann ja jeder. Ich wollte die Barrieren in den Köpfen überwinden. Man ist viel weniger behindert, als man durch Vorurteile behindert wird. Deshalb war für mich immer klar: Ich arbeite. Ich bin als Online-Redakteur für eine Firma tätig, die Bewegungslösungen für Menschen mit Behinderungen entwickelt. Ich pflege die Homepage, schreibe Texte, erstelle Bilder, drehe Videos und bin in den Social-Media-Kanälen unterwegs.

Den Job will ich

In die Arbeitswelt eingestiegen bin ich mit einer Ausbildung zum Bürokaufmann. Trotz meiner Qualifikation hatte man mir bei der Arbeitsagentur zunächst einen Job in einer Werkstatt angeboten – das war für mich keine Option. Mit Mundmaus, Bildschirmtastatur und Spracherkennungssoftware erledigte ich meine Aufgaben am PC. Alles kein Problem, das kannte ich so schon von Zuhause. Nach meiner Ausbildung lernte ich die moso GmbH auf der Rehacare-Messe kennen. Sie suchten jemanden für die Homepage-Pflege. Den Job will ich, dachte ich. Obwohl ich bis dahin nur „Hobby“-Kenntnisse in dem Bereich hatte, lag ein paar Wochen später ein Arbeitsvertrag vor mir auf dem Tisch. Ich wurde gut eingearbeitet und bilde mich ständig weiter fort. Außerdem hat meine Behinderung einen Vorteil: Ich kann unsere Hilfsmittel testen und Feedback und Verbesserungen geben.

Persönliche Gespräche

Zu Beginn meiner Beschäftigung arbeitete ich aus dem Home-Office. Der Kontakt über E-Mails und Skype mit meinen Kollegen war okay, aber mir fehlte der direkte Austausch. Dann zog mein Arbeitgeber in einen barrierefreien Neubau. Damit begann für mich ein neuer Arbeitsalltag, nämlich vor Ort. Benötige ich heute Informationen oder habe eine Frage, fahre ich einfach zu dem jeweiligen Kollegen und spreche ihn an. Es spielt keine Rolle, wo dieser gerade ist, da ich mich komplett frei und selbstständig im Gebäude bewegen kann. Das ermöglichen mir Hilfsmittel wie automatische Türöffner oder mein iPad, mit dem ich selbstständig den Aufzug rufen kann.

Das große Los gezogen

Ich habe mit diesem Job das große Los gezogen. Ich kann kreativ arbeiten, habe viel Abwechslung, kann Hilfsmittel mit verbessern und dabei auch noch Mitmenschen helfen. Da kann ich meiner Meinung nach doch schon behaupten: „Es läuft… eehhhmmm rollt!“ Das ist bei mir alles „reine Kopfsache“.

Mein Beispiel zeigt, was möglich ist, wenn man statt auf mögliche Einschränkungen auf die Fähigkeiten eines Bewerbers schaut. Das unterstreicht auch das Inklusionsbarometer: Danach sehen 77 Prozent der befragten Unternehmen keine Leistungsunterschiede zwischen Menschen mit und ohne Behinderung.

 

Ein Blogbeitrag von Dennis Winkens

 

Linktipps:

Mehr Infos zum Inklusionsbarometer Arbeit 2015 der Aktion Mensch finden Sie hier

Hier können Sie das Inklusionsbarometer Arbeit 2015 direkt herunterladen (PDF-Dokument)

Mehr zum Thema Inklusion am Arbeitsplatz bei der Aktion Mensch

Die Arbeitswelt von morgen. Ulrich Steilen über das Thema „Arbeitsleben und Unternehmensentwicklung“ beim Zukunftskongress „Inklusion 2025“

Exzellent ausgebildet – exzellent arbeitslos. Marie Gronwald über ihre Jobsuche als Akademikerin mit besonderem Merkmal: Rollstuhlfahrerin

Der Fall – oder: Wenn man uns ließe! Anastasia Umrik über Hürden und Pauschalisierungen bei der Jobsuche

Dennis Winkens mit anderen Teilnehmern auf der Bühne der Posiumsdiskussion zur Inklusion in der ArbeitsweltDennis Winkens sitzt in seinem Büro vor zwei Computer-MonitorenDennis Winkens bei einer Besprechung mit zwei KollegenDennis Winkens im Gespräch mit einem KollegenDennis Winkens mit anderen Teilnehmern auf der Bühne der Posiumsdiskussion zur Inklusion in der Arbeitswelt

(Redaktion )

Mission #MapMyDay

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Vier junge Menschen mit und ohne Behinderung halten Handy in die Höhe, halten den Daumen nach oben und lächeln in die Kamera

Ist dein Lieblingscafé barrierefrei? Sind vorm Eingang zum Friseursalon Stufen? Gibt es in der Bibliothek eine rollstuhlgerechte Toilette? Auf der Wheelmap kann jeder die Zugänglichkeit von öffentlichen Orten für Menschen im Rollstuhl bewerten. Am 3. Dezember, dem Tag der Menschen mit Behinderung, gab es mit #MapMyDay eine internationale Mapping-Aktion – und wir waren dabei!

Vier Kollegen, vier Smartphones, eine Mission: rollstuhlgerechte Orte in Bonn markieren. Die Agenten: Patrick, Isabell, Hanna und ich. Unsere Waffe: die App Wheelmap. Der Ort: Plittersdorf, ein kleiner Stadtteil im Süden Bonns. Hier ist noch nicht viel in der Wheelmap markiert und auf Barrierefreiheit getestet. Es ist an der Zeit, das zu ändern.

Wir nehmen den Bus. Der Status der Haltestelle auf der Wheelmap steht bereits auf Grün, das bedeutet: rollstuhlgerecht. Trotzdem ist es ziemlich schwierig mit zwei E-Rollstühlen in den Bus zu kommen, denn eine ältere Frau mit Rollator ist ebenfalls Fahrgast – und der Platz im Bus begrenzt. Wir spielen ein bisschen Tetris, schließlich passen alle rein und wir kommen unbeschadet in Plittersdorf an. Erste Herausforderung gemeistert.

Es gibt viel zu tun

Die Apotheke an der Ecke, der Herrenfriseur in der Gasse, der bunte Kunsthändler – all diese Orte sind noch nicht auf der Wheelmap verzeichnet. Uns wird schnell klar: Es gibt hier viel zu tun. Wir fangen bei einem Getränkemarkt an. Es ist der erste grüne Status, den wir vergeben können. Nicht verwunderlich: Wer möchte schon Limo-Kisten die Treppe hochschleppen? Das war also eine Aufwärmübung. Dann nehmen wir uns Fischhändler, Apotheken und Fahrradläden vor. Viele müssen wir mit orange (so mittel) oder rot (nicht rollstuhlgerecht) kennzeichnen, denn bei den vielen alten Gebäuden sind häufig Stufen vorm Eingang und an eine Rampe haben viele Geschäftsinhaber nicht gedacht. Ein Inhaber eines Friseursalons mit zwei Stufen vor der Tür zuckt nur mit der Schulter, als wir ihn nach einer Rampe fragen: „Ach, die kleinen Stufen“. Er weiß offensichtlich nicht, wie schwer Elektrorollstühle sein können. Leider. Wir vergeben den Status Rot.

Doch vereinzelt gibt es auch positive Überraschungen: Wir finden einen Barbier mit ebenerdigem Hintereingang und ein kleines Café mit mobiler Rampe – allerdings fehlen Hinweise darauf am Eingang. Wir geben den Ladenbesitzern den Tipp und ziehen weiter.

Action und kleine Gefahren beim Mappen

Je näher wir dem Zentrum Plittersdorfs kommen, umso schmaler werden die Bürgersteige. Würden wir diese bewerten können, wäre höchstens ein orangefarbener Status drin. Höchstens, denn wir haben noch einen kleinen Zwischenfall: Isabell rutscht mit ihrem E-Rollstuhl ab und steht nur noch halb auf dem Bürgersteig. Einfach schieben geht nicht, der Rollstuhl wiegt 180 Kilo. Einfach weiterfahren geht auch nicht, dann würde sie umkippen. Also ist es Zeit für unseren ersten Action-Einsatz. Wir drücken uns gegen Isabell, damit sie nicht rausfällt, während sie ihren Rollstuhl langsam über die Kante vom Bordstein runter bugsiert – mit Erfolg und ohne Verletzte. 

Nach zwei Stunden beschließen wir unseren Einsatz für heute zu beenden. Wir haben rund zehn neue Orte auf der Wheelmap angelegt und rund 15 als grün, orange oder rot eingestuft. Wir hoffen, dass diese Infos den Rollstuhlfahrern, die Plittersdorf einmal besuchen möchten, helfen. Dann wäre unsere Mission erfolgreich gewesen.

 

Linktipps:

Ein Mädchen im Rollstuhl auf der Kante des Bordsteins.Vier Menschen mit und ohne Behinderung genießen die Sonne.

(Katharina Hovestädt)

Mein Tag am TV-Set

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Kim und ihre "Fernseh-Familie" machen ein Selfie am TV-Set

Da saß ich nun in meinem Rollstuhl… Inmitten von einer für mich riesengroßen Filmcrew mit einer komplett gecasteten Schauspielfamilie. Während die Stylistin an mir herumzupft und der Ton-Mann an meinem Pulli werkelt, gibt mir der Regisseur bereits Anweisungen – für meine allererste professionelle Werbeaufnahme.

Schon mal vorweg: Ich gebe es zu, das war ein besonderes Gefühl: Du spielst die Hauptrolle eines TV-Werbespots für die Weihnachtskampagne der Aktion Mensch. Du wirst von Profis schön gemacht und darüber hinaus versuchen die Menschen am Set, auf deine Wünsche einzugehen. Zweifelsohne, ich habe mich gut gefühlt!

Lampenfieber und Weihnachtsstimmung

Doch gleichzeitig hatte ich auch sehr viel Respekt und auch ein klein wenig Angst davor, nicht das abzuliefern, was sich die Film-Crew so vorstellt. Dieses Gefühl wurde noch bestärkt, als ich erfuhr, dass ich die einzige nicht professionelle Schauspielerin am Set war.

Wenn ich nun auf die Drehtage zurückblicke, denke ich an eine sehr schöne Zeit, die hauptsächlich durch die Begegnungen mit den verschiedensten Personen und Charakteren geprägt wurde. Ich hatte eigentlich die Vorstellung, dass die Werbebranche ziemlich oberflächlich sein würde. Das Gegenteil war der Fall. Ich habe die Branche als sehr persönlich und offen im Miteinander kennengelernt. Dadurch fiel es mir erheblich leichter, vor solch einem großen Team vor der Kamera zu stehen. Und die Weihnachtsstimmung am Set mitten im Oktober hat sicher auch noch ihr Übriges dazu getan :-)

Eine besondere Erfahrung

Ich habe gemerkt, dass für ein gutes Ergebnis nicht nur die Stimmung am Set wichtig ist. Auch die Energien zwischen den Schauspielern spielt hierfür eine große Rolle. Zu Beginn war es ein wenig befremdlich, am Set eine komplette Schauspielfamilie vorzufinden. Aber ich glaube, ich kann für meine „Mutter“, mein „Vater“ sowie „Oma“ und „Opa“ sprechen, wenn ich sage: Wir hatten eine Menge Spaß zusammen!

Für mich als behinderter Mensch blieb aber vor allem ein Punkt besonders positiv in Erinnerung: Ich hatte das Gefühl, dass ich während der gemeinsamen Drehtage nicht als die junge Frau im Rollstuhl wahrgenommen wurde, sondern einfach als Kim. Meine Behinderung wurde nicht groß thematisiert und stand nicht im Vordergrund. Und genau das gab mir ein gutes Gefühl, Stolz und die Freude, ein Teil dieses Projekts zu sein. Jetzt freue ich mich auf den Moment, das Ergebnis das erste Mal im Fernsehen zu sehen!

Das "Making of" des Weihnachts-Werbespots

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Linktipps:

Weihnachten ganz persönlich: Der TV-Spot mit Kim (barrierefrei)

Noch ein Spot mit Kim: Das (fast) perfekte Weihnachts-Selfie (barrierefrei)

Du suchst noch das perfekte Weihnachtsgeschenk? Gestalte dein persönliches Geschenk-Los auf www.weihnachten.de

Die Schauspiel-Kollegen von Kim machen ein Selfie auf dem Sofa des DrehortesKim und ihre "TV-Oma" halten lachend ein Aktion Mensch-Jahreslos in die KameraKim mit "Film-Oma" und "-Mutter" vor einem geschmückten Weihnachtsbaum am Drehort

(Kim Elena do Calvário Moqenco )

Frohe Weihnachten!

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Wir wünschen euch mit unserem Video wunderschöne Weihnachtstage. Viele haben bei unserem kleinen Film mitgemacht. Schaut es euch an!

Es haben uns zahlreiche süße, witzige und tolle Weihnachtsgrüße erreicht. Ob Mitarbeiter, Facebook-Fans, Hunde, Kinder, Freunde oder einige Protagonisten aus unserer Begegnungskampagne – sie alle wollten ihre guten Wünsche loswerden. Daraus ist ein toller Film entstanden. "Frohes Fest!"

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Linktipps

Das perfekte Last-Minute-Weihnachtsgeschenk

"Schneeflöckchen, Weißröckchen" in Gebärdensprache

(Katharina Hovestädt)

Unser Dinner for One

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Wir haben den Silvester-Fernsehklassiker "Dinner for One" neu interpretiert – und das gleich mehrmals. Die Rolle des Butlers James wird dabei jeweils von verschiedenen Menschen mit Behinderung gespielt. Ob sich dadurch die Geschichte ändert?

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(Redaktion )

Gut behütet – Erfahrungen einer blinden Babysitterin

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Elias und Mirien Carvalho sitzen zusammen auf dem Boden und spielen mit einem bunten Spielzeugtelefon

Blind babysitten - kann das klappen? Mit etwas Selbstvertrauen auf jeden Fall, sagt Mirien Carvalho Rodrigues. Die blinde Bloggerin erzählt euch von ihren Erlebnissen.

An dem Abend, an dem Martin und ich zum ersten Mal zusammen ausgingen, war er schwer beeindruckt davon, dass ich eine Speisekarte lesen konnte, ohne sie aufzuklappen. In Marburg boten auch damals schon einige Lokale Speisekarten in Brailleschrift an. Nach diesem Erlebnis beschloss Martin, alles über Bord zu werfen, was er vielleicht mal über Blindheit und blinde Menschen gedacht hatte. Auch bei seiner Familie – nennen wir sie Familie G. – wurden keine großen Worte gemacht. Wer mit einem der Kinder befreundet war, gehörte zur Familie. So kam auch ich als Martins Freundin Anfang der Neunzigerjahre oft zu Besuch.

Ganz selbstverständlich und unbefangen redeten wir über Gott und die Welt. Für mich war es manchmal beinahe unglaublich: Egal, ob es darum ging, Hemden zu bügeln, den Tisch für acht Personen zu decken oder ein Pferd in die Box zu führen – in dieser Familie hatte allein ich das Vorrecht zu sagen, wenn ich Unterstützung brauchte oder etwas lieber nicht machen wollte.

Traust du dir das zu?

Schließlich kam der Tag, an dem Martins Schwester Christiane einen Babysitter für ihren Jüngsten suchte. Der Kleine konnte noch nicht sprechen, war allerdings gerade dabei, die Welt im Krabbelsturm zu erobern.

Frei heraus sprach Christiane ihre Bedenken aus, das Kind könne mir nicht sagen, was es wolle. Nachdem ich ihr erklärt hatte, ich würde immer auf Tuchfühlung mit dem Kind bleiben und den ganzen Abend über nichts anderes machen, sagte sie schlicht: „Ja, wenn du mir sagst, dass das geht, dann machen wir das.“

Unvergesslicher Abend

Für mich wurde es ein unvergesslicher Abend. Ohne viel Erfahrung mit Kindern zu haben, war ich mir doch sicher, wir zwei würden uns verstehen. Als der kleine Simon zappelig wurde, nahm ich ihn aus seinem Stühlchen und setzte ihn auf den Boden. Irgendwas wollte er mir aber noch sagen, was ich nicht sofort begriff. Da krabbelte er hinter die Küchentür, ich ihm immer auf den Fersen. Dort stieß ich auf jede Menge leerer Flaschen. Aha, er hat Durst!

In dem Wissen, allein und unbeobachtet zu sein, wagte ich mich mit dem Kleinen auch auf die Terrasse. Und natürlich krabbelte das Kind wie der Blitz in Richtung Treppe. Die Oma hielt ihn immer von der Treppe fern. Ich beschloss, es anders zu machen, denn ich wollte Simons Forscherdrang unterstützen. So krabbelte schließlich das Kind Kopf voran ganz langsam die Treppe hinunter, während ich rückwärts krabbelte und ihn von unten sicherte. Bis heute weiß ich nicht, wer an dem Abend mehr Freude hatte.

Seither hatte ich noch einige Male das Glück, mit den Kindern gelassener Eltern zusammen etwas erleben zu dürfen. Zum Beispiel mit Elias. Seine Eltern sind selbst blind und gute Freunde von mir. Hier war von Anfang an klar, dass ich ihn halten, herumtragen und mit ihm spielen darf und mich dabei völlig frei und unbefangen fühlen kann.

Aber es war Familie G., bei der ich zum ersten Mal erfahren durfte, dass ich diese Unbefangenheit auch unter sehenden Menschen manchmal empfinden kann.

 

Linktipps:

Schulbesuche mit dem Blindenführhund. Mirien Carvalho Rodrigues über die Unbefangenheit bei ihren Begegnungen mit Kindern

Zu früh. Heiko Kunert über eine unverhoffte Begegnung mit einem Mann, der wirklich alles über Blinde weiß – oder das zumindest denkt

Wahrnehmungswelten blinder Menschen. Interview von Heiko Kunert mit Andreas Brüning, dem Initiator des Projekts „Biografie-Paten“

Behinderung ausgeblendet. Mirien Carvalho Rodrigues über Begegnungen in ihrem Job, bei denen ihre Blindheit kein Thema ist

(Mirien Carvalho Rodrigues)


Neue Heimat – Paten helfen beim Ankommen 

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Zwei Mädchen kämpfen beim Fußball um den Ball. Im Hintergrund ein Schiedsrichter.

Fußballtraining und ein Pate mit viel Zeit – das ist das Erfolgsrezept des Berliner Projekts „Heimspiel“. 30 Mädchen aus Flüchtlingsfamilien machen mit, so wie die 12-jährige Samira. Sie ist seit einem Jahr in Deutschland und ihre Patin Fatemeh weiß genau, wie sich das anfühlt. 

Freitag, 14 Uhr, in einer Turnhalle in Berlin-Reinickendorf. Ein knappes Dutzend Mädchen zwischen 10 und 13 Jahren sitzt erwartungsvoll in einem Kreis. Wie jede Woche geht es hier nur um eines: Fußball spielen.  

Mit dabei sind Samira und Asiel, die eine Willkommensklasse ganz in der Nähe besuchen. Asiel ist offen und kommunikativ, Samira ist eher schüchtern. Beide sind beste Freundinnen und verbringen jede freie Minute zusammen. Die 12-Jährigen können es kaum erwarten, dass das Training beginnt. Sie erzählen: „Seit ein paar Wochen kommen wir regelmäßig, weil es einfach Spaß macht. Heute haben wir jeder ein Vereinstrikot bekommen.“ 

Unterwegs mit den Paten 

Der wöchentliche Fußballtreff ist Teil des Patenschaftsprogramms „Heimspiel“, das der Berliner Verein Kein Abseits! organisiert. Neben dem Training treffen sich die beiden Mädchen regelmäßig mit ihren Patinnen, den Schwestern Fatemeh und Khadijeh. Im Vierer-Pack gehen sie bowlen, Schlittschuhlaufen oder auch mal ins Musical. Die 28-jährige Fatemeh beschreibt das so: „Wir sind jetzt seit Herbst ein Gespann und lernen uns immer besser kennen. Das funktioniert vor allem über unsere gemeinsamen Unternehmungen. Manchmal bricht auch ein Scherz, ein kleines Spiel oder einfach eine Umarmung das Eis.“ 

Inzwischen steigt die Lautstärke in der Sporthalle. Zum Aufwärmen spielen die Mädchen fangen, dann kommen Stretching und Dribbel-Training. Alle sind hochkonzentriert und haben jede Menge kleine Erfolgserlebnisse. Samira ist vorne mit dabei, rennt und kämpft um jeden Ball. Vor knapp zwei Jahren ist sie aus Bosnien-Herzegowina nach Deutschland gekommen und lebt mit ihren Eltern und sieben Geschwistern in einer Flüchtlingsunterkunft. Mit Fatemeh hat die zurückhaltende Samira die Möglichkeit, aus der engen Unterkunft herauszukommen, dann geht es mal nur um sie.  

Eine ähnliche Geschichte 

Aktuell kümmern sich noch 30 weitere Paten um Kinder aus Flüchtlingsfamilien in dem Bezirk. Einige der Engagierten sind wie Fatemeh und Khadijeh selbst Zuwanderer. Sie kamen vor 25 Jahren aus dem Iran nach Deutschland. Für beide ist es nicht das erste Engagement: Sie sind im Schwimmverein aktiv, waren beim Bund Deutscher Pfadfinderinnen und engagierten sich in Jugendzentren. Beide kennen die Situation, wenn man in ein Land kommt und alles erst einmal neu ist. Fatemeh erinnert sich: „Wir haben vor allem von Freunden gelernt, wie die Dinge hier funktionieren. Jetzt kann ich dabei helfen, Samira eine Perspektive zu geben.“  

Kurz vor Abpfiff versenkt Samira noch einen Ball im Netz und lächelt danach fast verlegen. Dann greifen alle zu ihren Trinkflaschen, die Gesichter sind rot und strahlen glücklich. Alle Spielerinnen versammeln sich im Kreis und wählen die besten Spielerinnen des Trainings. Diesmal gehört auch Samira dazu.  

Inklusion bedeutet, dass jeder Mensch nach seinen individuellen Möglichkeiten selbstbestimmt leben und am gesellschaftlichen Leben teilhaben kann. Dieses selbstverständliche Miteinander erreichen wir nur, wenn sich möglichst viele Menschen für eine inklusive Gesellschaft einsetzen und sie mitgestalten – zum Beispiel durch freiwilliges Engagement. Die Aktion Mensch bietet mit ihrer Freiwilligen-Datenbank einen Überblick über die zahlreichen Möglichkeiten: Menschen mit und ohne Behinderung können aus mehr als 13.000 Angeboten  das passende Engagement auswählen. 
 
Weitere Ideen für inklusives Engagement finden Sie in der Freiwilligen-Datenbank.

(Henrik Flor)

Mit dem Rollstuhl auf Jamaika

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Dennis Zittlau mit lachenden jamaikanischen Schülern

Dennis liebt Reggae-Musik – und er wollte schon immer in deren Ursprungsland, nach Jamaika. Gesagt, getan.

Wie komme ich an ein barrierefreies Zimmer? Muss ich beim Flug etwas bedenken? Wie weit sind die Wege auf Jamaika? Was will ich überhaupt unternehmen? Für alles gab es eine Antwort, und nach ein paar Wochen Vorbereitung hieß es für den Musiker aus dem Münsterland: Weg von den winterlichen Temperaturen, ab in die Karibik!

Wie es sich – nur von seinem Rollstuhl begleitet – reist, erfahrt ihr in seinem Video-Bericht. Viel Spaß :-)

Sehen Sie auch das Video zu diesem Beitrag

Linktipps:

Der Song aus dem Jamaika-Video: „Unstoppable“ von Sittin' Bull (feat. OC G)

Noch mehr Songs, Bilder und Infos: Die Homepage von Sittin' Bull

Im Rolli zum Reggae: Die Westfälischen Nachrichten über die Jamaika-Reise von Dennis Zittlau aka Sittin' Bull

Unheilbar neugierig: MENSCHEN. das magazin über den querschnittsgelähmten Reisejournalisten Andreas Pröve

Gemeinsam unterwegs: MENSCHEN. das magazin über Reiseassistenz und Unterstützung im Urlaub für Menschen mit Behinderung

Zwei Reisevögel auf vier Rädern: Volker und Iris Westermann haben fast die ganze Welt bereist – im Rollstuhl und mit Glasknochenkrankheit

Reisen mit allen Sinnen. Ulrich Steilen über ein Reiseunternehmen, das gemeinsame Touren für blinde, sehbehinderte und sehende Reisegäste veranstaltet

Urlaub – alles inklusiv? Petra Strack über die Tücken einer Reise mit Rollstuhl

Mehr zum Thema „Urlaub und Begegnung“ findet ihr beim Familienratgeber

(Redaktion )

Selbstverständlich barrierefrei!?

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Eine Frau steht an einer Bushaltestelle. Sie hält einen Langstock in der Hand und drückt auf einen Taste.

„Linie 8 Papierfabrik in 5 Min.“ steht auf der digitalen Informationstafel an einer Kasseler Straßenbahnhaltestelle. Drückt Birgit Schopmans, die selbst blind ist, den Knopf, wird ihr diese Echtzeitinformation auch per Lautsprecher durchgesagt. Bei der Kasseler Verkehrsgesellschaft ist das mittlerweile Standard – aber wie sieht es sonst aus mit der Barrierefreiheit bei neuen Technologien? Ottmar Miles-Paul hat für uns nachgehakt.
 

Tastbare Armbanduhren, auf Kassette gesprochene Hörbücher, sprechende Personenwaagen – solche Hilfsmittel wurden früher vor allem von blinden Menschen genutzt. Heute sieht es anders aus: Die Sprachsysteme von Smartphones, Tablets oder Navigationshilfen bieten darüber hinaus ganz neue Zugangsmöglichkeiten zu Informationen. Und diese bringen nicht nur große Vorteile für Menschen mit ganz unterschiedlichen Behinderungen, sondern werden auch häufig von Menschen genutzt, die keine Einschränkungen haben. Denn sie sind oft bequemer nutzbar.

Mich verwundert deshalb auch nicht das Ergebnis einer aktuellen repräsentativen Umfrage die YouGov Deutschland im Auftrag der Aktion Mensch durchgeführt hat. 62 Prozent der Befragten haben da angegeben, dass sie glauben, digitale Innovationen (z.B. Apps oder spezielle Software) können helfen, reale Barrieren im Alltag abzubauen.

Neue Barrieren entstehen täglich

Doch was breiten Rückhalt in der Bevölkerung findet, ist hierzulande noch längst nicht die Regel. Denn es gibt bisher in Deutschland kaum verbindliche gesetzliche Vorgaben, dass Dienstleistungen und Produkte privater Anbieter barrierefrei gestaltet werden müssen. So wartet Birgit Schopmans beispielsweise immer noch auf einen barrierefrei nutzbaren Geldautomaten in ihrer Bank und ärgert sich über so manche für sie nicht nutzbare Internetseite.

Während 77 Prozent der von YouGov Deutschland Befragten strengere gesetzliche Vorgaben für den Abbau von Barrieren befürworten, hat die Bundesregierung dies in ihrem Gesetzesentwurf für die Weiterentwicklung des Behindertengleichstellungsrechts nicht vorgesehen. So werden trotz vorhandener und beispielsweise in den USA längst vorgeschriebener Lösungen, hierzulande täglich neue Barrieren im Internet und bei Produkten errichtet, die Menschen mit ganz unterschiedlichen Beeinträchtigungen behindern.

Einsatz für klare gesetzliche Regelungen

Birgit Schopmans setzt sich deshalb zusammen mit vielen anderen dafür ein, dass zukünftig Internetseiten, technische Geräte und Dienstleistungen für alle barrierefrei nutzbar sein müssen. Sie hofft, dass die Bundestagsabgeordneten gesetzliche Regelungen im Bundesbehindertengleichstellungsgesetz beschließen, die eine barrierefreie Gestaltung öffentlicher Dienstleistungen und Produkte vorschreibt. Und sie ist sich sicher, dass davon viele profitieren, nicht zuletzt die Hersteller barrierefreier Produkte, die damit international konkurrenzfähiger werden.

 

Linktipps:

Barrierefreiheit - Was heißt das?

Zahlen und Fakten zum Thema Barrierefreiheit

Weitere Themen rund um Barrierefreiheit (Aktion Mensch)

(Ottmar Miles-Paul)

#otc16: Barrieren gemeinsam überwinden

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Viele Menschen stehen vor einer Wandtafel und sehen sich den dort aufgehängten Sessionplan des BarCamps an.

Rund 100 Menschen haben auf dem openTransfer Camp Inklusion in München über Inklusion, (digitale) Barrierefreiheit und virtuelle Sozialräume diskutiert. Johannes Mirus und Sascha Foerster waren für uns dabei.

Samstag, 9:52 Uhr in München: Los geht's! Wir kommen im Strascheg Center for Entrepreneurship (SCE) an, füllen schnell unsere Namensschilder aus und stürzen uns neugierig ins Getümmel. Wir sind gespannt, über welche Themen wir heute sprechen werden und wie die Stimmung insgesamt ist.

Wir brauchen mehr Räume!

Die erste Überraschung: Viele der Besucher sind „Wiederholungstäter“ und kennen sich schon mit Barcamps aus. Entsprechend routiniert verläuft die Sessionplanung. Bei Barcamps ist es ja immer so, dass die Besucher zusammen das Programm zusammenpuzzeln. Jeder kann eine Session vorschlagen. In München gibt es so viele Ideen, dass spontan zusätzliche Räume geschaffen werden, damit auch alle vorgeschlagenen 20 Sessions stattfinden können. Am Ende wird immer zeitgleich in jeweils fünf Räumen diskutiert.

Barrierefreie Karten und inklusive Mode

Barrierefreiheit, das ist eins der Hauptthemen von diesem openTransferCamp, und gleich zu Beginn geht es dann in zwei Sessions parallel um Barrierefreiheit in Stadtplänen. Es gibt zwei unterschiedliche Ansätze, mit denen sich jeweils eine Gruppe beschäftigt: Informationsgewinnung in einer kleinen Community, die durch eine Kontrollinstanz für eine hohe Qualität der Informationen sorgt – wie am Beispiel CBF München ersichtlich – oder die Open-Source-Variante TransforMap, bei der jeder Interessierte Daten hinterlassen kann. Nach etwa der Hälfte der Zeit zeigt sich, warum Barcamps eine tolle Konferenzform sind: Spontan werden die beiden Sessions zusammengelegt, sodass alle Beteiligten miteinander diskutieren und sich vernetzen können. Vielleicht entsteht ja im Nachgang eine noch bessere Lösung, die alle Wünsche berücksichtigt.

In einer anderen Session präsentiert Cinderella Glücklich ihre Idee von „Fashion für alle“. Sie selbst stellt immer wieder fest, wie wenig Mode es für sie als Rollstuhlfahrerin gibt, und gleichzeitig, wie überfordert viele Verkäufer mit der Situation sind, wenn sie um Rat gebeten werden. Sie möchte das mit einem Online-Projektändern und sucht noch Unterstützung.

Diskussionen und schlaue Sätze

Das Schöne bei BarCamps ist auch, dass man mit vielen Menschen ins Gespräch kommt. Das passiert ganz automatisch. Zum einen, weil man nie alle Sessions besuchen kann, die man gerne besuchen würde – und wissen möchte, was man verpasst hat. Zum anderen aber auch, weil man über Themen weiter sprechen möchte. Zum Beispiel über die geplante Studie zum Medienkonsum von Menschen mit Behinderung. Oder auch über die Frage, ob Social Media ein Sprachrohr für Menschen mit Behinderung sein kann.

Was wir neben viel Input mit nach Hause nehmen, ist dieser Satz von einem Besucher: „Wir sollten aufhören, von Inklusion zu reden und einfach ‚alle‘ sagen und meinen.“

 

Ein Blogbeitrag von Sascha Foerster und Johannes Mirus

 

Linktipps:

Storify: Social-Media-Rückblick auf das openTransfer Camp Inklusion in München

openTransfer CAMP Inklusion 2016: Sessionplan mit allen vorgestellten Themen

Begleitende Blogparade zum Thema „Wie kommt Barrierefreiheit im Netz voran?“

„Wir schauen dorthin, wo es noch hapert“. Ulrich Steilen über das openTransfer CAMP Inklusion 2015 in Dortmund

Was bedeutet eigentlich Barrierefreiheit im Internet? Domingos de Oliveira über ein Netz für alle

Unbehindert aktiv. Domingos de Oliveira über mangelnde Barrierefreiheit von Tools für Online-Aktivisten mit Behinderung

Mehr Infos und Links gibt's im Themenfeld Barrierefreiheit der Aktion Mensch

Zuhörer mit und ohne Rollstühle lauschen einem VortragVerschiedene Grüppchen von Besuchern diskutieren im Foyer des Barcamps miteinanderNahaufnahme von der Wandtafel mit dem Sessionplan: ein Zettel mit der Aufschrift "Fashion für alle. Warum ist Mode (noch) nicht inklusiv?"Session von Cinderella Glücklich: Die Teilnehmer sitzen im Halbkreis um die Referentin herumTeilnehmer im Foyer des Barcamps

(Redaktion )

Kunst für alle Sinne

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Uschi Baetz und Sebastian Schaaps

Kunst kann man hören, fühlen und, ach ja, sehen. Vor allem kann man über Kunst ins Gespräch kommen. Die Bundeskunsthalle lädt mit dem „Art Talk Inklusiv“ dazu ein. Ein Angebot für Menschen mit und ohne Behinderung.

Etwas düster hier, denke ich, als ich die Ausstellungsräume der Bundeskunsthalle in Bonn betrete, in der noch bis zum 21. Februar die Ausstellung „Japans Liebe zum Impressionismus“ gezeigt wird. An diesem Samstag bin ich mutmaßlich die einzige Besucherin, die das wegen ihrer Nachtblindheit so empfindet, denn die vielen anderen Gäste bewegen sich wie Fische im Wasser. Gut, dass die Kunstvermittler Uschi Baetz und Sebastian Schaaps mich durch die Ausstellung führen werden. „ArtTalk Inklusiv“ heißt das Angebot des Museums, das anlässlich der Impressionisten-Ausstellung ins Leben gerufen wurde und bei späteren Ausstellungen fortgeführt werden soll. An mehreren Terminen im Monat können Menschen mit und ohne Behinderung an dieser besonderen Führung teilnehmen und miteinander ins Gespräch kommen. Es geht darum, Kunstwerke auch anders als mit den Augen wahrzunehmen, doch Zielgruppe sind nicht nur Blinde und Sehbehinderte. Auch Menschen mit Sprachbehinderungen oder solche, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, sind beispielsweise angesprochen – und natürlich Menschen ohne Handicap. „Wir möchten die Besucher dafür sensibilisieren, wie Menschen mit Beeinträchtigungen Dinge wahrnehmen und zum Beispiel einen Museumsbesuch erleben können“, erklärt Sebastian Schaaps.

Die Führung richtet sich nach den Wünschen der Besucher

Heute ist die Führung weniger inklusiv, vielmehr exklusiv: Ich bin die Einzige, die teilnimmt. „Der Zulauf ist unterschiedlich“, sagt Uschi Baetz. „Mal kommen Gruppen, mal Einzelpersonen – und wenn niemand kommt, gehen wir durch die Ausstellung, sprechen die Leute an, beantworten Fragen oder zeigen den Besuchern die Hör- und Taststationen.“ Noch nie sei es vorgekommen, dass die beiden in den drei Stunden, die die Veranstaltung dauert, nur geschwiegen hätten. Was die Länge der Führung und Erläuterungen betrifft, richten sich die Vermittler nach den Wünschen der Teilnehmer.

Nun aber auf zur Kunst! Im ersten Raum sind japanische Holzschnitte aus dem 19. Jahrhundert zu sehen. Sie gelangten auf verschiedenen Wegen nach Europa und beeinflussten die Impressionisten: Diese wählten nun für ihre Bilder auch kleine Ausschnitte statt einer totalen Ansicht, wie es damals üblich war. Weil ich schlecht sehen kann, darf ich nah an die Bilder herantreten, und wie schön: Kein Aufpasser pfeift mich zurück. Später sehen wir in einem anderen Raum einen japanischen Holzschnitt, der nur den Bug eines Bootes mit einer Frau zeigt: Monet, der japanische Holzschnitte sammelte, griff das Motiv in einem Gemälde auf, das an der gegenüberliegenden Wand hängt.

Ein Bild zu erfühlen, ist ganz schön schwierig

In einem weiteren Saal sind Bilder von Camille Pissarro, Alfred Sisley und Édouard Manet zu sehen. Alle Werke sind Leihgaben aus japanischen Sammlungen. Anhand einer Winterlandschaft von Pissarro erläutern Baetz und Schaaps die impressionistische Malweise, die zu ihrer Zeit, im ausgehenden 19. Jahrhundert, auf Widerstand stieß. Wer unscharf sieht, darf das bei den Impressionisten getrost auf deren Strichführung, die verschwimmenden Konturen, das flirrende Spiel von Licht und Schatten schieben. Wir kommen zur ersten „Hörbar“ – zwei Bänke, getrennt durch ein Mittelstück, in dem Lautsprecher und Kopfhörer untergebracht sind. Hier können sich die Besucher japanische Naturgedichte oder Erklärungen zu Werken, Motiven und zur Raumkonzeption anhören.

Was vor allem Blinde begeistert, sind die beiden Tastbars, sagt Sebastian Schaaps. Hier können reliefartige Bilder ertastet werden, die teils Motive aus den Werken der Ausstellung, teils frei entworfende japanische Motive darstellen. Die Künstlerin Susanne Ristow hat sie gestaltet. Und den Besuchern eine schwierige Aufgabe gegeben. Denn obwohl ich sehbehindert bin, gehört Tasten nicht zu meinen Gepflogenheiten: Nur mühsam erkenne ich die Motive mit den Fingern. Wenn einer den Anfang macht, trauen sich auch andere: Schon sind vier Besucher dabei, die Bilder ebenfalls zu erfühlen. Das ist ganz im Sinne der Kunstvermittler, die in dem Konzept einen „Mehrwert für alle“ sehen.

Wir verlassen die Ausstellungsräume – ich habe interessante Einblicke erhalten und würde gerne länger verweilen, wenn meine Füße nicht allmählich weh täten. Und ich freue mich, nach dem Gang durch die etwas düsteren Räume in das lichtdurchflutete Foyer zurückzukehren.

 

Die nächsten Termine für den Art Talk Inklusiv:

  • Samstag, 13. Februar, 14 bis 17 Uhr
  • Mittwoch, 17. Februar, 17 bis 20 Uhr

Eine Anmeldung ist möglich, aber nicht zwingend erforderlich. Beratung: Birgit Tellmann, Bundeskunsthalle, Tel. 0228 9171-291

 

Linktipps:

ArtTalk Inklusiv“ in der Bundeskunsthalle Bonn

Kunst für den Kopf. MENSCHEN. das magazin über Kulturangebote der Bundeskunsthalle für Menschen mit Demenzerkrankung

Der blaue Engel wird greifbar. Ulrich Steilen über barrierefreie Führungen in der Deutschen Kinemathek in Berlin

Kunst für alle: Auch Hände können sehen. Heiko Kunert über die barrierefreien Ausstellungen des Künstlers Horst W. Müller

(Ute Stephanie Mansion)

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