Für die Übersetzung des 25. Befunds hat Katrin Schweizer einen Orden bekommen. Die Auszeichnung der frisch examinierten Medizinerin ist zwar virtuell, aber was sie dafür geleistet hat, hilft Patienten und ihren Angehörigen ganz real. Die 26-Jährige, die gerade ihr Praktisches Jahr in Hanau angetreten hat, formuliert ärztliche Befunde um und versieht sie mit Erläuterungen, damit der Patient auch ohne jedes medizinische Fachwissen versteht, was gemeint ist.
Auf Augenhöhe mit dem Arzt
Eine intelligente Online-Plattform bringt Medizin-Studierende und Patienten zusammen, ohne dass sie sich direkt begegnen würden. Dort kann jeder ärztliche Befunde digital hochladen, die er alleine nicht verstehen würde. Das „Was hab’ ich?“-Team stellt sie anonymisiert in den geschlossenen Bereich der Webseite, zu dem nur die registrierten (angehenden) Mediziner Zugang haben. Katrin Schweizer: „Ich schaue meist am Wochenende, welche Befunde noch nicht in Bearbeitung sind, lese hinein und suche mir einen aus, der mich interessiert.“ Mit einem zweiseitigen Arztbrief ist sie meist mehrere Abende beschäftigt, schlägt immer wieder in Fachbüchern nach und recherchiert online. Katrin Schweizer stellt klar: „Uns geht es nicht darum, den Arzt zu ersetzen. Wir wollen lediglich, dass sich der Patient auf Augenhöhe mit ihm unterhalten kann.“
Perfektes Training für das Arzt-Patienten-Gespräch
Die Engagierten – egal ob Studierende oder fertig ausgebildete Mediziner – arbeiten ehrenamtlich. Kleine Auszeichnungen wie die für den 25. Text sorgen auf der Plattform spielerisch für zusätzliche Motivation. So gibt es auch digitale Anstecker für die erste Übersetzung, für eine besonders lange oder auch eine, die erst spät in der Nacht fertig wurde.
Obwohl das Projekt weitgehend online-basiert ist, wird eine enge Betreuung der mehreren hundert Freiwilligen sichergestellt. Es beginnt mit einem Schulungs-Video und dem persönlichen Telefonat mit einem Mitarbeiter. Danach können an ersten leichteren Texten Erfahrungen gesammelt werden. Mindestens die ersten fünf Übersetzungen checkt ein Supervisor gegen und gibt Empfehlungen. Auch später ist ein zweiter Blick durch erfahrene Übersetzer jederzeit möglich.
Für Katrin Schweizer ist klar, dass die Arbeit für „Was hab’ ich?“ auch beruflich eine ganze Menge bringt: „Ich lerne viel über die Art und Weise, wie man mit Patienten und Angehörigen sprechen sollte. Was beispielsweise eine verkalkte Herzklappe für Folgen hat, hätte ich vorher nicht für Laien verständlich erklären können.“
Inzwischen sind Studierende an sämtlichen deutschen medizinischen Fakultäten bei „Was hab’ ich?“ aktiv. Weitere freiwillig Engagierte werden gesucht und können sich über die Homepage der Organisation melden. Im besten Fall geht es ihnen dann wie Katrin Schweizer, die ganz schnell merkte: „Mich hat es gepackt!“
Inklusion bedeutet, dass jeder Mensch nach seinen individuellen Möglichkeiten selbstbestimmt leben und am gesellschaftlichen Leben teilhaben kann. Dieses selbstverständliche Miteinander erreichen wir nur, wenn sich möglichst viele Menschen für eine inklusive Gesellschaft einsetzen und sie mitgestalten – zum Beispiel durch freiwilliges Engagement. Die Aktion Mensch bietet mit ihrer Freiwilligen-Datenbank einen Überblick über die zahlreichen Möglichkeiten: Menschen mit und ohne Behinderung können aus mehr als 13.000 Angeboten das passende Engagement auswählen.
Weitere Ideen für inklusives Engagement finden Sie in der Freiwilligen-Datenbank.
Linktipps:
Jede Menge Engagement an der Uni. Engagement-Ideen für die Studienzeit.
(Henrik Flor)