„Behinderte Kinder sollen alles machen, was auch nicht behinderte Kinder machen!“, meinte die ehemalige Physiotherapeutin von Kaiserin 1 und stellte sie kurzerhand auf den Kopf. Meine Tochter gluckste vor Freude! Leider sind nicht alle Dinge, die alle Kinder machen, für behinderte Kinder selbstverständlich – und manche funktionieren schlicht und einfach nicht. Dabei kommt es natürlich immer ganz individuell auf das Kind, die Behinderungen und die oft damit einhergehenden Erkrankungen an.
Mit Kaiserin 1 sind viele Aktivitäten möglich – wir benötigen dafür aber zusätzliche Hilfe. Ein Spielplatzbesuch alleine mit ihr und ihrer Schwester ist zum Beispiel sinnlos bis unmöglich. Kaiserin 2 braucht ja auch noch viel Betreuung, kann noch nicht alleine rutschen oder schaukeln. Kaiserin 1 kann noch nicht lange frei sitzen und nicht gehen, daher kann sie auch nicht alleine rutschen oder schaukeln. Es muss immer eine Betreuungsperson für Kaiserin 2 dabei sein, damit auch sie schaukeln oder rutschen kann – was sie liebt. Entweder ist also der Kaiserinnen-Papa dabei, oder die Einzelfallhelferin von Kaiserin 1 oder eine Freundin.
Wir haben es gewagt
Eine weitere Herausforderung ihrer Pflege ist der Sauerstoffbedarf, den sie hat, während sie schläft. Ein kleiner Monitor, der mit einem Sensor an ihrem Fuß verbunden ist, zeigt uns an, ob sie die zusätzliche Portion Sauerstoff braucht oder nicht. Mit all diesen Herausforderungen haben wir es im vergangenen Jahr gewagt: eine Reise mit beiden Kindern. Wir haben Berlin verlassen, alles eingepackt, was wir für eine Woche brauchen. Der ganze Hausflur stand voll, das Auto bis auf den letzten Quadratzentimeter vollgepackt. Wir schleppten ein halbes Krankenhaus mit: Sauerstoff-Flaschen, einen Sauerstoff-Tank, Geschwisterkinderwagen, Sondenkost, ein Absaugegerät, einen Sauerstoff-Monitor, einen Therapiestuhl (denn nur in ihm kann Kaiserin 1 stabil sitzen), eine Wippe und dann noch den üblichen Babykram wie Windeln, Wundcreme & Co.
Ziel unserer Reise war ein Treffen mit anderen Familien mit behinderten Kindern – wir waren also nicht die einzigen, die mit besonderen Herausforderungen durch Deutschland reisten. Neun Stunden Autofahrt wollten wir weder uns noch den Kindern zumuten, daher entschieden wir uns für einen Zwischenstopp in Niedersachsen bei den Großeltern der kleinen Kaiserinnen. Kaiserin 1 gluckste in den Armen ihrer Oma, Kaiserin 2 jauchzte im Bollerwagen, gezogen vom Opa. Schon allein für diese Momente hatten sich die Strapazen der Autoreise gelohnt.
Die erste Etappenstrecke mit dem Auto verlief besser als gedacht: kein Stau, viel Schlaf auf den hinteren Plätzen. Ein Halt an einer Raststätte mit riesengroßer blitzblanker behindertengerechter Toilette (große Freude bei Mutter und Kind!), ein Halt im niedersächsischen Niemandsland mit Outdoor-Wickeltisch – schon waren wir da. Nach zwei Tagen machten wir uns auf den Weg bis zum Ziel im Rhein-Main-Gebiet; für unsere Reiseplanung war uns immer wichtig, ein Krankenhaus in der Nähe zu wissen. Der gesundheitliche Zustand von Kaiserin 1 ist sehr fragil, so dass wir immer auf alles eingerichtet sein müssen.
Anderssein war hier normal
Bei dem Familientreffen angekommen entdeckten wir, dass die anderen angereisten Familien mit den gleichen Herausforderungen angereist waren. Rollstühle wurden aus Autos geladen, Spritzen für die Sondenkost lagen beim Essen auf den Tischen, die Familien verständigten sich viel in Gebärdensprache. Anderssein war hier normal. Wir fühlten uns sehr willkommen und sind bis heute dankbar für die vielen Begegnungen mit Familien, die die gleichen Themen bewegen. Ganz abgesehen von Kaiserin 1 und ihrer kleinen Schwester, denen der Kontakt zu den anderen inklusiven Familien gut tat.
Ja, es ist manchmal strapaziös, mit einem mehrfach behinderten Kind unterwegs zu sein. Aber es lohnt sich auch immer. Auch – und vor allem! – fürs Kind.
Linktipps:
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(Mareice Kaiser)