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Rudernd übers Land

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Jugendliche rudern auf Ergometern

"Street Rowing - Bewegung statt Gewalt" ist ein mobiles Sportprojekt für Kinder und Jugendliche mit großem Spaß- und Bewegungsfaktor.

Tosender Applaus braust in der großen Halle auf, als der Wettkampf vorüber ist. Tabea Kuhnert hat den Ausscheid in ihrer Altersklasse gewonnen. Schwer atmend stützt sie die Hände auf ihre Knie. Aber sie lächelt. Sie ist die erste Siegerin der 1. Landesmeisterschaften Sachsen-Anhalt im Ergometerrudern, die am 18. Januar 2014 im Magdeburger Olympiastützpunkt stattfand. Die Wittenbergerin ist vierzehn Jahre alt und rudert schon ihr halbes Leben auf der Elbe. Aber Rudern an Land? Nicht ungewöhnlich: "Das Ruderergometer ist unser Trainingsgerät für die Wintersaison oder wenn draußen schlechtes Wetter ist." Acht solcher Ergometer sind in der Mitte der Sporthalle aufgebaut worden. Sie gehören zu einem mobilen Projekt, das die Sportart Rudern ans Land und die Kids von der Straße holt - und allen zugänglich ist, ob gesund oder mit körperlichen Einschränkungen: "Street Rowing", zu Deutsch: Straßenrudern.

Neue Möglichkeiten, Sport und Jugend zueinander zu bringen

Kräftiger und schneller als bei den Mädchen setzten die Ruderzüge bei den acht 14-jährigen Jungen des nächsten Ausscheids ein. Insgesamt haben sich rund 100 Teilnehmer der Ruderjugend Sachsen-Anhalt für den Start angemeldet. Eltern, Geschwister, Freunde begleiten sie und feuern sie an. Im Ruderergometer sitzt der Sportler wie im Boot auf einem Rollsitz. Statt den Griffen der Ruderblätter hält er einen Querholm in den Händen, der über eine Kette mit einem am Fußende vertikal montierten Schwungrad verbunden ist. Ähnlich wie bei einer Salatschleuder treibt der Ruderer mit jedem Zug das Rad an, das den Wasserwiderstand simuliert. Der erste Teil des Zugs erfolgt aus den Beinen heraus, indem sich der Ruderer mit den Füßen von einem Stemmbrett abdrückt, bis die Beine gestreckt sind. Im zweiten Teil kommt der Zug aus Armen und Oberkörper. Beim Vorrollen für den nächsten Zug läuft die Kette im Leerlauf zurück. Und so geht es vor und zurück. Immer wieder. Schlag auf Schlag. Wie bei einem Fahrradergometer zeigt dabei ein kleiner Computerbildschirm an, wie schnell man rudert und welche Distanz man schon zurückgelegt hat.

"Die letzten Meter", hallt es aus den Lautsprechern. Auf einer Leinwand kann das Publikum den Stand des Rennens mitverfolgen. Elektromusik unterlegt die Szenerie. Das kleine weiße Boot mit der Nummer vier liegt mit gutem Vorsprung vorn, Platz zwei und drei sind eng umkämpft. Die Stimmung peitscht hoch - bis nach 1.000 gemessenen Metern tatsächlich Boot vier als erstes die imaginäre Ziellinie erreicht. Heimsieg für den Ruderjungen vom SC Magdeburg.

"Alles begann vor zehn, vielleicht schon zwölf Jahren", erinnert sich Klaus Schindler von der Ruderjugend Sachsen-Anhalt, ein großer, ruhiger Mann mit Präsenz in der Halle. Er war früher selbst Leistungssportler, später Trainer. Heute ist er ehrenamtlich Landesjugendleiter und beruflich Erzieher in einem Kinderheim. "Ich war immer auf der Suche nach neuen Möglichkeiten, Sport und Jugend zueinander zu bringen. So entstand 'Street Rowing'." Es ist ein mobiles Projekt mit großem Spaß- und Bewegungsfaktor.

Überschüssige Energie oder Aggressionen beim Sport abbauen

Unter dem Motto "Bewegung statt Gewalt" fährt seither ein Team von gegenwärtig vier Ehrenamtlichen mit den Ruderergometern übers Land. Man will Kinder und Jugendliche zwischen zehn und 27 Jahren dort erreichen, wo es kaum Klubs oder Ähnliches gibt. "Es ist prinzipiell besser, wenn sie überschüssige Energie oder Aggressionen beim Sport abbauen als unkontrolliert auf der Straße", sagt Schindler. Dass der Rudersport dadurch eine größere Bekanntheit erfährt, ist ein positiver Nebeneffekt.

Ein weiterer Wettkampf ist gerade vorbei. Zwei Mädchen umarmen die Teilnehmerin, die als Letzte ins Ziel kam. Sie stützen sie, lachen und trösten. Hier ist Mitmachen alles. So auch bei Fritz Filipski, einem kleineren Jungen mit fröhlichen Augen. Auch er hat in seiner Altersklasse 14 nur den letzten Platz belegt. Traurig? "Ich hatte mir zumindest den 4. Platz gewünscht. Aber man darf nicht aufgeben." Dem Schüler geht es beim Sport um mehr als allein Leistung: "Wenn ich einen schlechten Tag in der Schule hatte, powere ich mich beim Rudern aus. Und dann kann ich neu in den nächsten Tag starten."

Für Klaus Schindler ist es eine "Ehre und Herausforderung", dass der Ruderverband Sachsen-Anhalt auf die Ruderjugend und das Projekt "Street Rowing" zugekommen ist, um die Landesmeisterschaften technisch abzusichern. Es spräche für die unkomplizierte und mobile Facette des Projekts. Zunehmend fände es Beachtung. Bis zu 30 Schulen, Jugendklubs und Vereine erreicht man gegenwärtig pro Jahr im ganzen Land an. Nächste Station wird eine Schule in Weißenfels sein. Danach werden die Straßenruderer in Bitterfeld und in Barleben bei Magdeburg erwartet.

Das Projekt "Street Rowing - Bewegung statt Gewalt" der Ruderjugend Sachsen-Anhalt wurde im Rahmen der Aktion Mensch-Förderaktion "Miteinander gestalten" mit 4.000 Euro finanziert.


Linktipps:
Mehr Informationen zum Projekt "Street Rowing - Bewegung statt Gewalt" der Ruderjugend Sachsen-Anhalt
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Klaus Schindler Jugendlicher beim Rudern am Ergometer Klaus Schindler mit Jugendlichen beim Rudern am Ergometer 

(Autor: Cornelia Heller)


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