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Untertitel - ein unverzichtbares Element!

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Ein Fernseher neben einer Badewanne, in der ein Mann liegt

 

Heutzutage, im Zeitalter der elektronischen Kommunikation, ist durch technische Mittel vieles möglich und einiges auch schon selbstverständlich: Fernsehen - manchmal auch mit Untertiteln; im Internet surfen - teilweise auch mit Hilfe von Texten in Leichter Sprache; Filme anschauen - zum Teil mit Untertiteln und hin und wieder auch Audiodeskription und vieles mehr. Für Jugendliche ist gerade auch das Internet oft schon so etwas wie eine "zweite Heimat" - sie verbringen viele Stunden im Netz. Können Menschen mit Behinderungen das genauso erleben? Danny Canal berichtet hier aus eigener Perspektive über ein Thema, das ihm und anderen gehörlosen Menschen besonders am Herzen liegt: Untertitel.

Viele Versprechen, wenig Handlung

Gehörlose Menschen, Menschen mit Hörschädigung oder bestimmten anderen Einschränkungen brauchen Untertitel, um Filme verstehen oder Spiele nutzen zu können, da sie diese Angebote nicht akustisch, sondern mit anderen Sinnen wahrnehmen. Untertitel sind quasi ein Ersatz für den fehlenden Ton. Im deutschen Fernsehen hinkt die Untertitelung jedoch leider sehr hinterher: Nach Angaben von "Sign-Dialog" (01/2013) liegt die Quote bei ungefähr 22,4 Prozent (öffentlich-rechtliche Sender) und schlappen 3,5 Prozent bei den Privatsendern. Seit 1. Januar 2013 müssen Menschen mit Hörschädigung auch GEZ-Gebühren zahlen. Für einen ermäßigten Beitrag von 5,99 Euro im Monat soll - im Gegenzug - die Untertitelung im Fernsehen ausgebaut werden. Theoretisch, denn bisher gibt es nur kleine positive Veränderungen bei einzelnen Sendern, aber leider längst nicht bei allen. Warum ist das so?

Auf europäischer Ebene haben sich viele Länder selbst eine Untertitelungsquote vorgenommen, die innerhalb eines bestimmten Zeitraums umgesetzt werden muss. So hat sich England verpflichtet, bis 2008 in 60 Prozent aller Sender Untertitel anzubieten. Der öffentliche Sender BBC ist komplett untertitelt. Der Vorreiter Frankreich hat es bis 2012 geschafft, sein komplettes Programm zu untertiteln. Und in Deutschland? Hierzulande heißt es seit 1. Juni 2009 im Rundfunkstaatsvertrag unter §3 Allgemeine Grundsätze: "(2) Die Anbieter nach Absatz 1 Satz 1 sollen über ihr bereits bestehendes Engagement hinaus im Rahmen ihrer technischen und finanziellen Möglichkeiten barrierefreie Angebote vermehrt aufnehmen."
Es existieren leider noch immer keine verbindliche gesetzlichen Regelungen oder Verpflichtungen, in welchem Zeitraum welche Quoten im Bezug auf Untertitel im Fernsehen erreicht werden müssen. Was für ein Versäumnis!

Barrierefreier Zugang zu Bildung, Teilhabe und Informationen

Die Arbeitsgruppe "Sign-Dialog" im Deutschen Gehörlosen-Bund fordert seit 2008 100 % Untertitel für alle Fernsehprogramme. Leitgedanke ist hier der barrierefreie Zugang zu Bildung, Teilhabe und die ungehinderte Versorgung mit Informationen. Die Forderung wird auch vom Deutschen Schwerhörigen Bund, der Deutschen Gesellschaft der Hörgeschädigten und vielen weiteren Verbänden unterstützt. Diese Thematik muss die Politik in der nächsten Zeit beschäftigen, da Deutschland die UN-Behindertenrechtskonvention im Jahr 2009 ratifiziert und sich hierdurch verpflichtet hat, die praktische Umsetzung folgen zu lassen.

Wegen des eklatanten Mangels an Untertiteln weichen viele Filmliebhaber auf DVD oder BluRays aus: Diese Medien sind - bis auf Ausnahmen - mit Untertiteln in verschiedenen Sprachen versehen. Die Ausnahmen sind meistens deutschsprachige Filme, da die Filme aus Deutschland oft in andere Sprachen untertitelt werden, aber sehr oft fehlen bei deutschen Filmen deutsche Untertitel. Das dürfte sich bald ändern. Denn seit dem 1. Mai 2013 werden von der Filmförderungsanstalt (FFA) nur noch Filme gefördert, wenn sie Audiodeskription und Untertitel enthalten. Viele Unternehmen, wie Lovefilm von Amazon, bieten einen Video-on-Demand-Dienst (VoD) an. Das bedeutet, man kann die Filme direkt online per Stream schauen. Aber nun ratet mal, was hier wirklich fehlt?! Genau: die Untertitel. Das ist besonders ärgerlich, weil diese Untertitel auf DVD existieren.

Angebote, die die Barrierefreiheit für alle Menschen garantieren

Die meisten Menschen sind heute mobil unterwegs. Viele haben mobile Endgeräte wie Smartphones oder Tablets mit unzähligen Apps, die TV-Angebote liveübertragen, Beispiele dafür sind die App Zattoo oder sogar die YouTube-App. Aber auch hier gilt: Untertitel? Fehlanzeige! Das ist aber das falsche Modell: Für eine wirklich inklusive Gesellschaft sollten Beiträge und Angebote gemacht werden, die die Barrierefreiheit für alle Menschen garantieren - und dabei niemanden vergessen.

Ein Positivbeispiel, wie das gelingen kann, kommt aus der Spiele-Industrie: Viele moderne Spiele verfügen über Untertitel beim Filmabspann oder wenn es Dialoge im Spiel gibt. Diese kann man oft sogar individuell ein- oder ausschalten. Der Einbau barrierefreier Untertitel gehört bei Spielen fast schon zur Selbstverständlichkeit. Das hat nicht nur für Menschen mit Einschränkungen Vorteile, sondern fördert auch den Absatz des Spiels, da es eine größere Zielgruppe anspricht. Warum gibt es diese Selbstverständlichkeit also nicht auch für Fernseh- und Filmangebote? Wieso hinken Stream-Dienste so hinterher?

Ich möchte die Leserinnen und Leser dieses Blogs und alle Menschen, die direkt oder indirekt betroffen sind, gerne auffordern, sich gemeinsam für Untertitel stark zu machen. Während die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender ihrer Verpflichtung weitgehend nachkommen, lässt der Ausbau bei den Sparten- und Privatsendern sehr zu wünschen übrig. Es wird Zeit, dass sich die deutschen Politikerinnen und Politiker in der nächsten Legislaturperiode mit den entsprechenden Verbänden zusammensetzen, um ein Gesetz zu erarbeiten, das die hundertprozentige Untertitelung zur Pflicht macht. Gerade auch im Hinblick auf das Filmförderungsgesetz sollte festgelegt werden, dass Filme aus Deutschland nur in Kinos gezeigt oder als DVD bzw. BluRay verkauft werden dürfen, wenn sie vollständig untertitelt sind. Auch das ist gelebte Inklusion!


Für seine fachliche Unterstützung danken wir Bernd Schneider, Experte der Arbeitsgruppe Untertitel/Fernsehen bei der Deutschen Gesellschaft der Hörgeschädigten.


Linktipps:
Das Handlungsfeld "Inklusion leben: In der Freizeit" der Aktion Mensch
Hörfilme im TV: Teilhabe und Barrierefreiheit. Ein Plädoyer von Heiko Kunert für mehr Audiodeskription im deutschen Fernsehen
Kulturelle Teilhabe: Zum aktuellen Stand der Audiodeskription. Ein Blogbeitrag von Heiko Kunert über Audiodeskription in TV, Kino, Oper und Theater

(Autor: Danny Canal)


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