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Senioren mit Migrationshintergrund

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Ein alter Mann mit weißem Bart sitzt, auf seinen Stock gestützt, an einer Straße

Behinderungen sind in der Mehrzahl altersbedingt, sprich: von Erkrankungen im Alter verursacht. Somit sind davon heute auch immer häufiger Senioren mit Migrationshintergrund betroffen. Die deutsche Gesellschaft ist hierauf kaum vorbereitet.

Die erste Gastarbeiter-Generation, die seit Ende der 50er Jahre in die Bundesrepublik kam, ist inzwischen im Rentenalter. Ihre gesellschaftliche Teilhabe ist bis heute begrenzt. Das gilt beispielsweise für die Bereiche Kultur, Freizeit und die Bildung, aber auch bei ehrenamtlichem Engagement, und in der Selbsthilfe sind Senioren mit Migrationshintergrund unterrepräsentiert.

Woran liegt das?

Zum einen wirkt sich die verfehlte Migrationspolitik der letzten Jahrzehnte aus. Sehr lange wurden ausländische Mitbürger tatsächlich im eigentlichen Wortsinn als "Gastarbeiter" behandelt. Es war von Politik und Mehrheitsgesellschaft gar nicht gewollt, dass Migranten integriert werden. Dieses Klima begünstigte, dass viele Senioren immer noch nicht oder nur schlecht Deutsch sprechen, obwohl sie teilweise seit über 50 Jahren in Deutschland leben. Sie haben sich selbst nie als Teil unserer Gesellschaft verstehen können, daher fällt es ihnen auch im Alter schwer, sich in einem deutschen Verein zu organisieren oder zu einer deutschen Beratungsstelle zu gehen. Stattdessen bleiben viele Migranten unter sich. Die Forschung spricht von einem Rückzug in sogenannte ethnische Enklaven.

Zweitens sind ausländisch-stämmige Senioren überdurchschnittlich stark von Gebrechen und von Armut betroffen. Die erste Migranten-Generation bestand überwiegend aus Menschen, die für einfache, körperlich harte Arbeit nach Deutschland kamen. Diese Tatsache und das schwierige Leben zwischen zwei Kulturen zeigen nun im Alter ihre Wirkung. Umso sinnvoller wären adäquate Angebote durch die Alten- und die Selbsthilfe.

Des Weiteren gibt es bisher im Alltag nur wenig Austausch und Kooperation zwischen der Seniorenarbeit und der Migrantenarbeit. Und häufig fehlt es an Offenheit, zum Beispiel als Behinderten-Organisation auf türkische Kulturvereine zuzugehen, um neue Zielgruppen zu erreichen. Hinzu kommt, dass die Angebote der Selbsthilfe und Seniorenarbeit häufig die Zielgruppe nicht erreichen, da sprachliche Barrieren bestehen oder Freizeitangebote sich ausschließlich an den Bedürfnissen deutscher Senioren orientieren.

Zahl steigt weiter

Die Zahl der älteren Migranten wird in den nächsten Jahren weiter steigen. Seniorenarbeit, Behindertenvereine, Selbsthilfe-Organisationen, Beratungsstellen und Anbieter von Kultur-, Freizeit- und Bildungsangeboten für ältere Menschen sollten diese Herausforderung als Chance begreifen. Eine Öffnung für Menschen mit Migrationshintergrund würde dem Personenkreis enorm helfen und gleichzeitig eine Bereicherung für die Organisationen bedeuten.


Mehr zum Thema:
Mehr Infos zur Lebenssituation älterer Migranten und Migrantinnen beim Forum Seniorenarbeit NRW (PDF-Dokument)
Erklärung zur interkulturellen Öffnung für und mit Menschen mit Behinderung und Migrationshintergrund der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (PDF-Dokument)
Infos über Migration und Behinderung beim Bundesverband für körper- und mehrfachbehinderte Menschen e.V.
Das Projekt "Migrant/-innen - barrierefrei zur Integration" vom Bundesverband Paritätisches Bildungswerk e.V.
Mehr zum Thema Migration und Behinderung beim Familienratgeber
Doppelt ausgeschlossen: Migranten mit Behinderung. Ein Blogbeitrag von Stefanie Wulf über Migration und Behinderung in Deutschland
"Nicht einmischen, sondern entlasten". Ein Interview im Blog von Katja Hanke mit Jürgen Schwarz über eine interkulturelle Beratungsstelle für Menschen mit Behinderung und ihre Angehörigen

(Autor: Heiko Kunert)


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